Zeichen im Alltags-Alphabet

Jesaja 7, 10 – 25

10 Und der HERR redete abermals zu Ahas und sprach: 11 Fordere dir ein Zeichen vom HERRN, deinem Gott, es sei drunten in der Tiefe oder droben in der Höhe! 12 Aber Ahas sprach: Ich will’s nicht fordern, damit ich den HERRN nicht versuche.

               Was für eine verdrehte, verrückte Situation. Der Prophet Gottes bietet – doch wohl im Auftrag Gottes, anders ist: der HERR redete doch nicht zu verstehen Ahas ein Zeichen an. Irgendeins. Das Angebot erinnert an Gideon. Gideon,der Richter mit dem verzagten Herzen, hat keine Hemmung, von Gott Zeichen einzufordern, zu erbitten und wird auch nicht dafür getadelt.

            Wovor also fürchtet Ahas sich, dass er diese Einladung abschlägt? Er riskiert doch nichts, wenn er Jesaja folgt. Oder glaubt er im Ernst, Jesaja wolle ihn dazu bringen, Gott, den HERRN zu versuchen? Oder scheut er das Risiko, sich ganz Gottes Willen und Zukunft auszusetzen? So gesehen ist der Verzicht auf das Zeichen eine Absage an Gott. Nach dem Muster: Es ist doch sowieso alles zu spät. 

            Auch das könnte hinter der Abwehr des Ahas stehen: in den Religionen rund um Israel herum, ist Zeichendeuterei – Lesen des Vogelfluges, Lesen der Stern-Konstellationen, Wahrsagen aus den Eingeweiden irgendwelcher Tiere – gang und gäbe. Eine Praxis, die für Israel streng untersagt ist. Das Gesetz zieht eine strenge Grenze gegenüber allen Zeichendeutern.  Und es ist das hohe Lob, das Josia erhalten wird, dass er die Zeichendeuterei ausrottet. (2. Könige 23, 29) Von daher erklärt sich das Verhalten des Ahas möglicherweise als gesetzestreu! 

13 Da sprach Jesaja: Wohlan, so hört, ihr vom Hause David: Ist’s euch zu wenig, dass ihr Menschen müde macht? Müsst ihr auch meinen Gott müde machen? 14 Darum wird euch der HERR selbst ein Zeichen geben:

            Jesaja reagiert. Aber nicht mit scharfem Tadel, nicht mit dem Satz: Du glaubst nicht. Wenigstens genervt? Nein, er bringt es auf den Punkt: Es ist ermüdend, es nimmt den Mut, wie Ahas sich in dieser Krise verhält. Menschen werden mutlos und matt, müde. Soll Gott auch müde werden, es leid werden, sich um sein Volk zu mühen? Das ist das Risiko, das Ahas eingeht, wenn er Gott so vergeblich suchen lässt, rufen lässt, seine Zukunft anbieten lässt. Er riskiert, dass Gott sagt: Ich bin es müde.

           Doch der HERR reagiert nicht so. Er hält fest an seiner Zusage – so sagt es Jesaja. Er wird selbst, von sich aus, ungefordert, ungesucht, ungerufen, ungefragt ein Zeichen geben. Sein Zeichen. 

Siehe, eine Jungfrau ist schwanger und wird einen Sohn gebären, den wird sie nennen Immanuel.

            Achtung so heißt siehe! Seht genau hin. Das ist das Zeichen: Eine Schwangerschaft. Eine Geburt. Eine Namensgebung. ImmanuelGott mit uns. So wird dieses Kind heißen, geboren in einer Situation, in der sich Ahas von Gott verlassen vorkommt.

            Es ist ein merkwürdiges Zeichen. Eines, das man übersehen kann. Das Wort, das fast alle Übersetzungen mit Jungfrau wiedergeben – almā heißt eigentlich: „junge Frau.“ Es ist die Septuaginta, die Übersetzung aus dem Hebräischen ins Griechische, die zu der Jungfrau führt. Die Vulgata, die lateinische Übersetzung, die in der Alten Kirche höchste Autorität besitzt, verdeutlicht weiter: virgo. 

            Vom hebräischen Urtext her ist das Zeichen jedoch ein sehr normaler Vorgang. Eine junge Frau wird schwanger und sie bringt einen Sohn zur Welt. Beides ist nicht außergewöhnlich. Kurz und knapp: Das Leben geht weiter.

            Es liegt auf der Linie des Denkens in der Hebräischen Bibel: Israel sucht keine Zeichen, sondern es hängt am Wort. Am Wort seines Gottes. und hier ist es dann auch eben genau so: Das Zeichen wird zum Zeichen nur durch das Wort. Ohne das Wort wäre diese eine Schwangerschaft nur eine Schwangerschaft mehr – schön für alle Beteiligten, aber sonst auch nichts. Erst das Wort macht sie zum Zeichen, das die Welt betrifft und die Welt verändert. 

15 Butter und Honig wird er essen, bis er weiß, Böses zu verwerfen und Gutes zu erwählen. 16 Denn ehe der Knabe lernt Böses verwerfen und Gutes erwählen, wird das Land verödet sein, vor dessen zwei Königen dir graut.

            Der Prophet bleibt bei seinem Bild. Noch bevor der neugeborene Knabe urteilsfähig sein wird, noch bevor er entwöhnt sein wird, wird die Gefahr von Jerusalem abgewendet sein. Das, wovor es Ahas so graut, der Angriff der Könige Rezin und Pekach, wird sich in Luft auflösen.  Ihr Land wird verödet sein, nicht Juda verwüstet. Ob Ahas das zu sehen, zu glauben vermag? Wenn er aber nicht glaubt, nicht vertraut, dann ist das Gericht nicht aufzuhalten.  

17 Der HERR wird über dich, über dein Volk und über deines Vaters Haus Tage kommen lassen, wie sie nicht gekommen sind seit der Zeit, da Ephraim sich von Juda schied, nämlich durch den König von Assyrien.

            Mir kommt es so vor, als müsste man eine Zäsur lesen, zwischen den Versen 16 und 17. Denn das, was nach dem Wort Jesajas jetzt erfolgen soll, wird nur verständlich, wenn die Entscheidung des Ahas heißt: Zeichen hin oder her – ich traue Gott nicht. Ich verlasse mich lieber auf meinen politischen Instinkt, auf meine Bündnis-Pläne.

18 Zu der Zeit wird der HERR herbeipfeifen die Fliege am Ende der Ströme Ägyptens und die Biene im Lande Assur, 19 dass sie kommen und sich alle niederlassen in den tiefen Tälern und in den Steinklüften und in allen Hecken und an jeder Tränke. 20 Zu der Zeit wird der Herr das Haupt und die Haare am Leib scheren und den Bart abnehmen durch das Schermesser, das gedungen ist jenseits des Stroms, durch den König von Assyrien. 21 Zu der Zeit wird ein Mann eine junge Kuh und zwei Schafe aufziehen 22 und wird so viel zu melken haben, dass er Butter essen wird; denn Butter und Honig wird essen, wer übrig bleiben wird im Lande. 23 Und es wird zu der Zeit geschehen: Wo jetzt tausend Weinstöcke stehen, tausend Silberstücke wert, da werden Dornen und Disteln sein, 24 dass man mit Pfeil und Bogen dahin gehen muss. Denn im ganzen Lande werden Dornen und Disteln sein, 25 dass man auch zu all den Bergen, die man jetzt mit der Hacke zu behacken pflegt, nicht kommen kann aus Scheu vor Dornen und Disteln, sondern man wird Rinder darüber treiben und Schafe es zertreten lassen.

            Weil Ahas aber dem Wort des Propheten kein Vertrauen schenkt, nicht glaubt, wird das Heilszeichen zu einem Unheilszeichen. Seine Bündnis-Politik wird Juda ins Unglück stürzen. Gerade durch den, von dem er sich Hilfe erhofft, durch den König von Assyrien. Einmal mehr vollzieht sich Gottes Gericht so, dass die Akteure die Folgen ihrer Taten zu tragen haben.     

Zum Weiterdenken

Es ist einer der für uns Christen emotional hoch besetzen Sätze im Buch des Jesaja. Weil er im Neuen Testament auf Jesus ausgelegt wird. Durch die Engel-Botschaft an Josef: »Siehe, eine Jungfrau wird schwanger sein und einen Sohn gebären, und sie werden ihm den Namen Immanuel geben«, das heißt übersetzt: Gott mit uns.“ (Matthäus 1,23) Das ist die Fortschreibung der Sätze des Jesaja, aber nicht ihr erster, ursprünglicher Gehalt. Der erste Gehalt geht schlicht darauf aus, dass im bedrängten, belagerten Jerusalem ein Lebenszeichen gegeben wird, von Gott selbst. Durch die Geburt eines Kindes, eines Sohnes.

            Das Neue Testament, der Evangelist Matthäus, wiederum macht das, was oft auch schon im Alten Testament geschieht. Er greift auf, schreibt einen „heiligen Text“ weiter, tritt ein in die Fußspuren der früheren Propheten und redet so selbst – prophetisch. An uns ist es dann, dieses Wort hörend und handelnd zu glauben und zu beglaubigen.   

Sind diese Worte über den Immanuel mehr als nur ein Beitrag zum Verständnis Jesu? Es geht doch nicht darum, eine ordentliche Lehre über ihn zu akzeptieren. Es geht darum, ihn zu akzeptieren, ihn anzunehmen, mein Leben in ihn hinein verwurzelt zu glauben. Für Ahas wäre diesem Zeichen zu trauen eine Folge von neuen Befehlen und den Verzicht auf seine seitherige Bündnispolitik. Also: konkretes Handeln. Wie steht es um mein konkretes Handeln, weil ich Jesus als den Immanuel glaube?                       

So bist Du, Gott. Du gibst uns alltäglich Zeichen deiner Gegenwart. Alltägliche Zeichen – und wir warten auf die besonderen Augenblicke. Darauf, dass der Himmel aufgeht. Du aber willst, dass wir im Alltag Deine Spuren entdecken, hier auf der Erde Dir vertrauen lernen. Es ist ein so einfaches Zeichen: Das Leben geht weiter.  Gib doch, dass wir in unseren wirren Tage nicht blind bleiben für Deine Zeichen, die Du in unseren Alltag hinein schenkst. Amen

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