Römer11, 11 – 16
11 So frage ich nun: Sind sie gestrauchelt, damit sie fallen? Das sei ferne! Sondern durch ihre Verfehlung ist den Heiden das Heil widerfahren; das sollte sie eifersüchtig machen. 12 Wenn aber ihre Verfehlung Reichtum für die Welt ist und ihr Schade Reichtum für die Heiden, welchen Reichtum wird dann ihre volle Zahl bringen! 13 Euch Heiden aber sage ich: Weil ich Apostel der Heiden bin, preise ich meinen Dienst, 14 ob ich vielleicht meine Stammverwandten eifersüchtig machen und einige von ihnen retten könnte. 15 Denn wenn ihr Verlust Versöhnung der Welt ist, was wird ihre Annahme anderes sein als Leben aus den Toten! 16 Ist die Erstlingsgabe vom Teig heilig, so ist auch der ganze Teig heilig; und ist die Wurzel heilig, so sind auch die Zweige heilig.
Ist das eine Erklärung für Gottes Zickzack-Kurs in Sachen Erwählung? Er „herzt“ die Völker mit einem Heil, damit sein Erstlingsvolk eifersüchtig wird? Er schickt Paulus in die weite Welt des Mittelmeer-Raumes, damit sie in Jerusalem vielleicht doch aufwachen und neu über Gott und seine Wege denken lernen? Damit ihnen die Augen aufgehen für Seiten Gottes, die sie bis dahin für ausgeschlossen gehalten haben. Das ist, in den Augen des Paulus, der „Plan“, die Absicht Gottes: Als erstes hat der verweigerte Glauben Israels den Weg zu den Heiden frei gemacht. Weil die Jünger nicht schweigen konnten von dem, was sie in Jesus und mit Jesus erfahren haben, was sie „gesehen und gehört haben“ (Apostelgeschichte 4,20), hat sie ihr Weg in die Völkerwelt zu den Heiden geführt. Es ist die Verfolgung der ersten Gemeinde in Jerusalem, die dazu führt, dass die Jünger die Stadt verlassen und sich ins Umland wenden, auf die Straßen Samarias, nach Damaskus, Cäsarea und Antiochia Nie und nimmer wäre diese Jerusalemer von sich aus auf die Idee gekommen, ihre Stadt zu verlassen. So bedient sich Gott der Ablehnung und der Verfolgung, um das Evangelium über die Grenzen Israels hinaus zu bringen.
Ob es die in Jerusalem nicht zum Nachdenken bringen wird, wenn sie sehen, dass Menschen aus den Völkern sich an Jesus als den Christus, als den Messias hängen? Ob es nicht doch neue Wege eröffnen wird, dass Gott als der Vater Jesu Christi Glauben bei denen findet, die bis dahin ihren Göttern nachgelaufen sind?
Es ist um Ecken gedacht, aber nicht unlogisch, sondern hat die Logik, die im Denken Israels oft zu beobachten ist, vom Leichteren zum Schwereren. Wenn aus der Verweigerung, dem Fall Israels, schon Gutes entsteht für die Heiden, wie viel mehr wird Gutes werden, wenn Israel sich nicht mehr vom Heil entfremdet, wenn es nicht nur ein kleiner Rest ist, der glaubt, sondern alle Israeliten. Ganz konsequent hält Paulus hier in seinen Formulierungen durch: Es ist das Handeln Gottes, das Israel jetzt auf Distanz hält und das einmal umgekehrt die Zahl voll werden lassen wird. Wie sollte er auch, der im Blick auf das Heil alles vom Tun Gottes abhängig sieht, hier anders reden können.
Wenn es dazu kommt, so wird die Welt voller Glück und Heil und Frieden sein. „An Gottes Weg mit Israel hängt die Erlösung der ganzen Welt.“ (P. Stuhlmacher) Das ist ein so steiler und zugleich missbrauchbarer Satz, wenn er politisch gewendet zur Zustimmungspflicht zu allem wird, was der Staat Israel bewerkstelligt. Wir haben es als Christinnen und Christen wohl noch zu lernen, wie wir mit dieser Hoffnung des Paulus umgehen, theologisch, geistlich und in den praktischen Alltagsbezügen.