Vertrauen, das groß werden lässt

Römer 8, 12 – 17

12 So sind wir nun, liebe Brüder und Schwestern, nicht dem Fleisch schuldig, dass wir nach dem Fleisch leben. 13 Denn wenn ihr nach dem Fleisch lebt, so werdet ihr sterben müssen; wenn ihr aber durch den Geist die Taten des Leibes tötet, so werdet ihr leben. 14 Denn welche der Geist Gottes treibt, die sind Gottes Kinder. 15 Denn ihr habt nicht einen Geist der Knechtschaft empfangen, dass ihr euch abermals fürchten müsstet; sondern ihr habt einen Geist der Kindschaft empfangen, durch den wir rufen: Abba, lieber Vater! 16 Der Geist selbst gibt Zeugnis unserm Geist, dass wir Gottes Kinder sind. 17 Sind wir aber Kinder, so sind wir auch Erben, nämlich Gottes Erben und Miterben Christi, da wir ja mit ihm leiden, damit wir auch mit ihm zur Herrlichkeit erhoben werden.

Mit der Freiheit umgehen. Sich dem Wind des Geistes anvertrauen. Im Bild gesprochen: Es ist ein Wind, der ins Freie treibt und nicht nach unten drückt. Wenn man so will: Rückenwind statt Gegenwind. Wobei es eine leise Andeutung gibt: Ganz konfliktfrei ist dieses Leben mit dem Geist nicht zu haben. Es gibt noch „Störfeuer“, weil sich die alte Art des Lebens zurückmelden kann. Umso wichtiger, dass wir uns an die neue Lebensmöglichkeit halten: Abba, lieber Vater! Das ist nicht nur Anrufung des Vaters, Vertrauenswort, es ist zugleich Selbstvergewisserung. Mitdiesem Ausruf werde ich mir darüber klar, an wen ich mich halte, wem ich vertraue. Was das für ein Vertrauen ist. Überspitzt: Sage mir, wie du von Gott redest, wie du mit Gott redest und ich sage dir, wie Du dich ihm gegenüber siehst – ob nah, ob fern, ob als Kind Gottes, Sohn oder Tochter, oder als eine, einer der/die Gott gegenüber auf Distanz hält.

            Es ist ein Bild von Gott, das diametral anders ist als das Bild, das zu vielen eingeimpft worden ist, auch von Kanzeln herab: Wenn ich nur klein beigebe, wenn ich mich selbst entwerte, dann wird er großmütig sein. „Nichts hab´ ich zu bringen, alles, Herr, bist du.“ Ich kenne viele Menschen, die glauben, dass Gott das will: Dass sie sich selbst entwerten, dass sie sich selbst klein machen, dass sie sich selbst nieder machen. Nur dann gebe ich Gott die Ehre, wenn ich ein Nichts aus mir mache. Solange ich noch etwas bin, noch etwas habe, solange stehe ich mir auf dem Rückweg zu Gott selbst im Weg.

Wie anders dagegen die Sichtweise, zu der Paulus seine Leserschaft ermutigt, damals, heute:  Unsere Beziehung zu Gott beruht nicht auf Angst, nicht auf Leistung, sie beruht auf dem Vertrauen, dass wir Gottes Kinder sind. Dieses Vertrauen wird mir regelrecht eingepflanzt durch den Geist.

Wunderbar finde ich das hier Angedeutete ausgesagt in den Worten Jesu: „Mein Sohn, du bist allezeit bei mir und alles, was mein ist, das ist dein.“ (Lukas 15, 31) Das ist der Geist, den Gott uns schenken will, der aus dem Vertrauen auf den Vater umgehen kann mit den Gaben der Welt. Das meint Abba, lieber Vater! Ich darf diese Welt nehmen aus den Händen des Vaters. Merkwürdig – wir erwarten so oft Lohn und merken es nicht, dass wir uns damit unter Stand einschätzen. Gott will nicht, dass wir seine Lohnarbeiter sind. Er will, dass wir seine Söhne und Töchter sind. Wir dürfen aus dem nehmen, was unser ist. Gott hat es uns zugedacht. Wir dürfen Tag um Tag nehmen, Leben in seiner Fülle, Freude, Lust, Mühe, Arbeit, Schönheit der Schöpfung, Licht. Dunkel, Weg – Gott hat es uns zugedacht. Der Geist der Kindschaft lehrt uns zu hören und zu leben: „Was mein ist, das ist dein.“

In der Verantwortung vor ihm und in der Freiheit, die er mir zutraut. Wer Gott gegenüber nie aus der Gesinnung eines Knechtes, aus dem Geist der Pflichterfüllung heraus findet, der lebt unter den Möglichkeiten, die Gott ihm zutraut. Unter dem Stand, in den er uns versetzt hat.

Schlimm ist: manche Christen scheinen zu glauben, dass sie nie aus dem Kleinkinderalter heraus dürfen. Manche Christen scheinen zu glauben, dass es Gott gegenüber nie ein Erwachsenwerden geben dürfe. Manche Christen halten demnach offensichtlich Gott für krank. Denn das sind doch kranke Eltern, die ihr Kind nicht groß werden lassen, die beim 30-jährigen Sohn oder der 50-jährigen Tochter noch das gleiche Verhalten erwarten wie damals, mit 4, 5 Jahren: Da waren die Eltern übermächtig, für alles verantwortlich, den Kindern fast wie Gott. Wenn Eltern wollen, dass es so bleibt, ein Leben lang, dann sind sie krank und machen sie krank. Und wenn wir Gott unterstellen, dass er uns so behalten will, auf der Kleinkindstufe des Glaubens und Lebens, dann halten wir Gott für krank und werden wohl auch nie zu einem erwachsenen Glauben und nie zu einem verantwortlichen Leben finden.

Gott aber ist nicht krank und will uns nicht kranke Menschen sein lassen, die sich ewig kindisch verhalten. Er will, dass wir große, starke Menschen werden. Er will, dass unser Glaube erwachsen wird, dass wir ihm auf Augenhöhe begegnen. Er will, dass wir ihn in der Welt repräsentieren. Er will, dass unser Geist mit seinem Geist erfüllt wird, dass wir Kinder seines Geistes sind, die den Atem der Freiheit, der Verantwortung und der Liebe in diese Welt verströmen.

Weiter bin ich noch nicht gekommen – Abba, lieber Vater. Etwas anderes habe ich auf dem langen Weg meines Lebens nicht gelernt: Du bist mir der Vater, der mich gerufen hat, der mir den glauben geöffnet hat, der mich bis hierher auf dem Weg meines Lebens geleitet hat. Und Du wirst mich am Ende im Vaterhaus erwarten und in die Arme schließen. Mehr brauche ich nicht als Glauben, mein Vater im Himmel. Amen

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