1. Mose 31, 1 – 7. 14 – 32
1 Und es kamen vor ihn die Reden der Söhne Labans, dass sie sprachen: Jakob hat alles Gut unseres Vaters an sich gebracht, und nur von unseres Vaters Gut hat er solchen Reichtum zuwege gebracht. 2 Und Jakob sah an das Angesicht Labans, und siehe, er war zu ihm nicht mehr wie zuvor. 3 Und der HERR sprach zu Jakob: Zieh wieder in deiner Väter Land und zu deiner Verwandtschaft; ich will mit dir sein. 4 Da sandte Jakob hin und ließ rufen Rahel und Lea aufs Feld zu seiner Herde 5 und sprach zu ihnen: Ich sehe an eures Vaters Angesicht, dass er zu mir nicht ist wie zuvor; aber der Gott meines Vaters ist mit mir gewesen. 6 Und ihr wisst, dass ich aus allen meinen Kräften eurem Vater gedient habe. 7 Und er hat mich getäuscht und zehnmal meinen Lohn verändert; aber Gott hat ihm nicht gestattet, dass er mir Schaden täte.
14 Da antworteten Rahel und Lea und sprachen zu ihm: Haben wir denn noch Anteil und Erbe am Hause unseres Vaters? 15 Gelten wir ihm nicht als Fremde? Hat er uns doch verkauft und unsern Kaufpreis verzehrt! 16 Fürwahr, der ganze Reichtum, den Gott unserm Vater entzogen hat, gehört uns und unsern Kindern. Alles nun, was Gott dir gesagt hat, das tu! 17 Da machte sich Jakob auf und lud seine Kinder und Frauen auf die Kamele 18 und führte weg all sein Vieh und alle seine Habe, die er in Paddan-Aram erworben hatte, dass er käme zu Isaak, seinem Vater, ins Land Kanaan. 19 Laban aber war gegangen, seine Herde zu scheren. Da stahl Rahel ihres Vaters Hausgott. 20 Und Jakob täuschte Laban, den Aramäer, damit, dass er ihm nicht ansagte, dass er ziehen wollte. 21 So floh er mit allem, was sein war, machte sich auf und fuhr über den Euphrat und richtete seinen Weg nach dem Gebirge Gilead.
22 Am dritten Tage wurde Laban angesagt, dass Jakob geflohen wäre. 23 Und er nahm seine Brüder zu sich und jagte ihm nach, sieben Tagereisen weit, und ereilte ihn auf dem Gebirge Gilead. 24 Aber Gott kam zu Laban, dem Aramäer, im Traum des Nachts und sprach zu ihm: Hüte dich, mit Jakob im Guten oder Bösen zu reden. 25 Und Laban holte Jakob ein. Jakob aber hatte sein Zelt aufgeschlagen auf dem Gebirge, und Laban mit seinen Brüdern schlug sein Zelt auch auf dem Gebirge Gilead auf. 26 Da sprach Laban zu Jakob: Was hast du getan, dass du mich getäuscht hast und hast meine Töchter entführt, als wenn sie im Krieg gefangen wären? 27 Warum bist du heimlich geflohen und hast mich hintergangen und hast mir’s nicht angesagt, dass ich dich geleitet hätte mit Freuden, mit Liedern, mit Pauken und Harfen? 28 Und hast mich nicht einmal lassen meine Enkel und Töchter küssen? Nun, du hast töricht getan. 29 Ich hätte wohl so viel Macht, dass ich euch Böses antun könnte; aber eures Vaters Gott hat diese Nacht zu mir gesagt: Hüte dich, mit Jakob im Guten oder Bösen zu reden. 30 Und wenn du schon weggezogen bist und sehntest dich so sehr nach deines Vaters Hause, warum hast du mir dann aber meinen Gott gestohlen? 31 Jakob antwortete und sprach zu Laban: Ich fürchtete mich und dachte, du würdest deine Töchter von mir reißen. 32 Bei wem du aber deinen Gott findest, der sterbe! Hier vor unsern Brüdern suche das Deine bei mir und nimm’s hin. Jakob wusste aber nicht, dass Rahel ihn gestohlen hatte.
Einmal mehr: Neid. Es sind nicht nur die Söhne Labans, auch Laban selbst entfremdet sich von seinem Schwiegersohn. Es ist ein sehr nüchternes Erzählen über die Familie – sie ist kein heiliger Ort ohne negative Gefühle. Es kann in ihr brodeln. Weil einer dem anderen den Erfolg nicht gönnt, weil einer im Anderen den Konkurrenten im Inneren Zirkel sieht.
Interne Beratung im inneren Zirkel des Jakobs-Dreiers. Jetzt fällt auf Laban zurück, was er seinen Töchtern mit der Hochzeitstäuschung angetan hat: Er hat uns doch verkauft und unsern Kaufpreis verzehrt! Da ist keine Parteinahme mehr für den Vater, da ist nur noch Enttäuschung und Abwendung. Darum Aufbruch – im Vertrauen darauf, dass der Gott ihres Mannes Jakob den Weg schützen wird. Hört man in dieser Wendung auch eine innere Distanz? So wirkt es wie eine Art Zusatz-Versicherung, dass Rahel eine Statue, l ihres Vaters Hausgott stiehlt. Aus dem Aufbruch wird ein verborgene Flucht. Es scheint im Wesen Jakobs zu liegen, dass er auf zwei Ebenen handelt und im Vordergrund verbirgt, was er im Hintergrund plant und durchführt.
Die verwaisten Wohnungen und Hürden sind eine Botschaft – Jakob ist weg. Laban setzt dem Flüchtling nach. Es ist wohl die nächtliche Intervention Gottes, die ihn nach einer einigermaßen friedlichen Klärung verlangen lässt. Er signalisiert Enttäuschung. Er will Auskunft über Jakobs Motive. Vor allem aber will er Klarheit: Was ist mit meinem Hausgott? Warum hast du den mitgehen lassen. Als ob man Gott wie ein Möbelstück mit transportieren könnte.
Jakob ist ahnungslos. Weil er von keinen Diebstahl weiß, stellt er einen Blanko-Haftbefehl dar: Bei wem das Diebesgut gefunden ist, der soll sterben. Es ist nicht das letzte Mal in den biblischen Texten, dass einer sich so mit Worten verfängt und Unheil über sich selbst und die Seinen herabbeschwört. Es ist eine Lehre über den Augenblick auf dem Gebirge hinaus: Niemals in vermeintlicher Unschuld die Hände ins Feuer zu legen.
Bewahre uns, mein Gott, vor dem Neid, der Familien entzweit, der dem Nächsten seine Erfolge nicht gönnen will. Bewahre uns vor Konflikten, die zur Entfremdung führen zwischen denen, die sich doch nahestehen. Bewahre uns vor den Worten, die täuschen. Bewahre uns auch vor den allzu lauten Unschuldsbeteuerungen, die keinen festen Grund in der Wirklichkeit haben. Amen