1. Mose 50,15 – 26
15 Die Brüder Josefs aber fürchteten sich, als ihr Vater gestorben war, und sprachen: Josef könnte uns gram sein und uns alle Bosheit vergelten, die wir an ihm getan haben. 16 Darum ließen sie ihm sagen: Dein Vater befahl vor seinem Tode und sprach: 17 So sollt ihr zu Josef sagen: Vergib doch deinen Brüdern die Missetat und ihre Sünde, dass sie so übel an dir getan haben. Nun vergib doch diese Missetat uns, den Dienern des Gottes deines Vaters! Aber Josef weinte, als man ihm solches sagte. 18 Und seine Brüder gingen selbst hin und fielen vor ihm nieder und sprachen: Siehe, wir sind deine Knechte. 19 Josef aber sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Stehe ich denn an Gottes statt? 20 Ihr gedachtet es böse mit mir zu machen, aber Gott gedachte es gut zu machen, um zu tun, was jetzt am Tage ist, nämlich am Leben zu erhalten ein großes Volk. 21 So fürchtet euch nun nicht; ich will euch und eure Kinder versorgen. Und er tröstete sie und redete freundlich mit ihnen. 22 So wohnte Josef in Ägypten mit seines Vaters Hause und lebte hundertzehn Jahre 23 und sah Ephraims Kinder bis ins dritte Glied. Auch die Söhne von Machir, Manasses Sohn, wurden dem Hause Josefs zugerechnet. 24 Und Josef sprach zu seinen Brüdern: Ich sterbe; aber Gott wird euch gnädig heimsuchen und aus diesem Lande führen in das Land, das er Abraham, Isaak und Jakob zu geben geschworen hat. 25 Darum nahm er einen Eid von den Söhnen Israels und sprach: Wenn euch Gott heimsuchen wird, so nehmt meine Gebeine mit hinauf von hier. 26 Und Josef starb, als er hundertzehn Jahre alt war. Und sie salbten ihn und legten ihn in einen Sarg in Ägypten.
Man wird das schlechte Gewissen nicht los, auch wenn die Zeit vergeht. Die Brüder Josefs wissen, was sie ihm vor vielen Jahren angetan haben. Sie haben ihn auch kennen gelernt als einen, der mit seiner Macht umzugehen weiß. Darum fürchten sie, dass er sie nun spüren lassen wird, welche Macht er hat. Und dass er nicht vergessen hat, was war. Es ist in dieser Sippe nicht das erste Mal, das Botschaften erfunden werden. So berufen sie sich auf eine Wegweisung Jakobs. Er hat ihnen die Bitte um Entschuldigung und Vergebung aufgetragen. Und er nimmt über das Grab hinaus Josef in Pflicht.
Ob Josef enttäuscht ist, als er von diesem „Trick“ hört? Ob er sie durchschaut? Jedenfalls antwortet er überraschend – nicht mit Macht, nicht mit Zorn, sondern mit der Einsicht, die die ganze Erzählung in ein anderes Licht rückt: Ihr gedachtet es böse mit mir zu machen, aber Gott gedachte es gut zu machen, um zu tun, was jetzt am Tage ist, nämlich am Leben zu erhalten ein großes Volk. Gott hat aus ihrer Bosheit Gutes werden lassen, eine lang vorbereitete Leben erhaltende Maßnahme. Josef sagt nicht direkt: Ich bin Gottes Werkzeug. Aber er sagt sehr deutlich: Diesen Weg, den ihr in Gang gesetzt habt, hat Gott zum Guten gewendet – für mich, für euch.
Der Ausklang ist ein freundliches Miteinander der Brüder unter der Obhut des Vize Josef. Fürsorge für die Seinen. Er hat es nicht mehr nötig, seine Macht zu demonstrieren. Er ist über seine Träume hinaus gewachsen. Was bleibt, sind die Nachfahren aus Ephraim und Manasse. Und es bleibt erneut die Anordnung: Sucht mich, wenn ich gestorben bin und die Zeit reif ist, heimzubringen in die alte Heimat. In welches Grab wird sich weisen müssen.
Es ist die Botschaft hinter dieser Erzählung: Gott wird sein Volk heimsuchen, heimholen in das gelobte Land. Er hat es so verheißen und Gott erfüllt seine Verheißungen. Diesem Tag wartet Josef in seinem Sarg in Ägypten entgegen.
Man muss nicht überfromm sein, um die Parallel zu denken: Auch wir in unseren Särgen warten dem Tag entgegen, an dem Gott, der Vater im Himmel, der Herr über Leben und_ Tod uns heimsuchen wird, heimholen in die versprochene Heimat.
Du Heiliger, Barmherziger, Gott des Himmels und der Erde. Schenke Du uns ein Herz zur Versöhnung. Auch zur Versöhnung mit denen, die es uns schwergemacht haben. Schenke uns den Weitblick, dass wir Deine Führung hinter allen Wegen unseres Lebens sehen lernen, auch hinter den harten Wegabschnitten. Gib uns ein Herz, das die Hoffnung bewahrt, über den Tag hinaus, über den Tod hinaus. Die Hoffnung auf die Heimat in Dir. Amen