Statt Lug und Trug – ein Grundstein

Jesaja 28, 14 – 22

14 So höret nun des HERRN Wort, ihr Spötter, die ihr herrscht über dies Volk, das in Jerusalem ist. 15 Ihr sprecht: Wir haben mit dem Tod einen Bund geschlossen und mit dem Totenreich einen Vertrag gemacht. Wenn die brausende Flut daherfährt, wird sie uns nicht treffen; denn wir haben Lüge zu unsrer Zuflucht und Trug zu unserm Schutz gemacht.

            Jetzt sind wir wieder in der Zeit, in der das Wirken des Jesaja verortet ist, der Zeit der Könige Ahas und Hiskia. Genauer ist es nicht zu sagen, weil der Bezug zu konkreten Ereignissen fehlt. Aber was deutlich wird ist die Geisteshaltung der Leute, mit denen Jesaja zu tun hat. Sie fühlen sich sicher. Sie sind Leute, die zu sagen haben, die herrschen über dies Volk in Jerusalem. Leute aus der Führungsschicht. Und weil sie herrschen und sich ihrer Sache so sicher fühlen, haben sie ihren Spott mit den Worten des Jesaja. Sie sind Spötter darin, dass sie seine Worte nicht ernst nehmen, sich nicht warnen lassen. Es ist ihnen nur hohles Geschwätz, überholtes frommes Gerede. 

            Es ist einigermaßen aufregend, was Jesaja ihnen in den Mund legt: Wir haben mit dem Tod einen Bund geschlossen und mit dem Totenreich einen Vertrag gemacht. Sind sie deshalb so furchtlos, weil sie glauben, dass sie dem Tod seine Schärfe nehmen, wenn sie sagen, er gehört zum Leben? Man kann sogar einen Bund mit ihm schließen. Weil sie ihren Frieden mit dem Tod gemacht haben? Wie mag das in den Ohren von Leuten klingen, die es noch nicht ganz vergessen haben: Der HERR hat einen Bund mit Israel geschlossen. Daran erinnern alle Feste in Israel. Das Volk hat sich zur Bundestreue verpflichtet. Dieser Bund ist Lebensgrundlage.

            Und jetzt reden Leute in Jerusalem von einem Bund mit dem Tod. Das trifft doch das seitherige Selbstverständnis Israel ins Mark. Nicht mehr: „Der Herr ist unsere Zuversicht und Stärke. Eine Hilfe in den großen Nöten, die uns getroffen haben.“ (Psalm 46,2)

            Sondern Lug und Trug sind unsere Zuflucht und unser Schutz. Das ist mehr als ein bisschen gottloses Gerede. Das ist die Absage an Gott und gleichzeitig die Absage an den Weg der Väter. Wir setzen auf Chaos. Wenn Jesaja nicht polemisch überzeichnet, dann haben wir hier Leute vor uns, die jede Bindung an den Gott der Väter verloren haben. 

            Es mag sein, dass im Hintergrund die Bündnispolitik Hiskias in den Jahren 703 – 701 steht, ein Pakt, der den Beistand Ägyptens und der Kleinstaaten in Palästina sichern soll. Diese Erwartung aber wird sich als Lug und Trug erweisen.

16 Darum spricht Gott der HERR: Siehe, ich lege in Zion einen Grundstein, einen bewährten Stein, einen kostbaren Eckstein, der fest gegründet ist. Wer glaubt, der flieht nicht.

               Diesen Spottreden stellt Jesaja sich entgegen. Mit dem Spruch des HERRN, nicht aus eigenem Denken und Urteilen. Im Rückgriff auf etwas, was jeder in Jerusalem kennt. Auf eine Grundsteinlegung. Gott selbst legt in Zion einen Grundstein, einen bewährten Stein, einen kostbaren Eckstein, der fest gegründet ist. Gott bringt damit in der labilen politischen Situation zum Ausdruck: Ich halte an der Zukunft Jerusalems fest. Was hat es für Sinn, Grundsteine zu legen, wenn morgen schon alles vorbei ist. Es ist nicht weniger als eine Zeichenhandlung Gottes, die hier angesagt wird als Widerspruch gegen die Spötter und Sprüchemacher und ihre Parolen. 

            Das Wort vom Grundstein ist ein Zukunftswort. Es hält fest an der Hoffnung auf Zukunft, wo alle anderen nur noch Abbruch sehen. Das gilt ja nicht nur für diese Situation im Zeitraum 703 – 701. Das gilt erst recht später, als das Wort wieder verwendet wird. „Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, der ist zum Eckstein geworden.“ (Markus 12,10) Auch Jesus redet durch dieses Wort von Zukunft, wo alle anderen nur Abbruch sehen.

               Und wieder ein Rückgriff auf Jesajas frühere Worte. Er wird nicht müde, sich zu wiederholen.  Wer glaubt, der flieht nicht. Das ist die inhaltlich gleichbleibende Aussage aus der Begegnung mit Ahas: Glaubt ihr nicht, so bleibt ihr nicht. Nur diesmal andersherum formuliert.  Als Konsequenz des Glaubens. Der Glaube hilft, stand zu halten, fest zu bleiben, hilft dazu, dass die Herzen und die Stadt fest werden (26,1)

            Nach der Septuaginta könnte man übersetzen: „Wer glaubt, wird nicht zuschanden.“ Als Studenten haben wir oft gesungen:

„Keiner wird zuschanden, welcher Gottes harrt;
sollt ich sein der erste, der zuschanden ward?
Nein, das ist unmöglich, du getreuer Hort!
Eher fällt der Himmel, eh mich täuscht dein Wort!“ G. Knak (1806-1878)

            So jung, so trotzig haben wir damals geglaubt, vor fünfzig Jahren. Wir haben uns Mut gemacht vor Prüfungen, über die ich im Nachhinein denke: Etwas mehr lernen hätte es auch getan. Jetzt, fünfzig Jahre älter und ein paar Schiffbrüche im Leben reifer erinnere ich mich und denke: Es ist immer noch wahr. Das Vertrauen auf Gott war nicht Bauen auf einen trügerischen Grund, auf Hirngespinste. Es war Vertrauen auf die Treue Gottes, die sichere Schritte möglich macht, auch durch dunkle Täler, auch in stürmischen Zeiten. Was ich gegenüber früher dazu gelernt habe: Auch diese Zeiten im Sturm sind Gottes Zeiten, die er uns zumutet, weil er uns zutraut, dass wir sie bestehen.

17 Und ich will das Recht zur Richtschnur und die Gerechtigkeit zur Waage machen. So wird Hagel die falsche Zuflucht zerschlagen, und Wasser sollen den Schutz wegschwemmen, 18 dass hinfalle euer Bund mit dem Tode und euer Vertrag mit dem Totenreich nicht bestehen bleibe. Wenn die Flut daherfährt, wird sie euch zermalmen; 19 sooft sie daher fährt, wird sie euch erfassen. Denn Morgen für Morgen wird sie kommen, des Tags und des Nachts. Da wird man nur mit Entsetzen Offenbarung deuten. 20 Denn das Bett ist zu kurz, um sich auszustrecken, und die Decke zu schmal, um sich dreinzuschmiegen.

               Das Bild vom Grundstein wird weitergeführt, aber jetzt als Gerichtsbild. Entscheidend dafür ist, wie auf dem Grundstein gebaut wird. Steht der Bau auf Recht und Gerechtigkeit, so ist keine Gefahr. Wird das aber missachtet und anders gebaut, dann droht der Einsturz. Hagel und Wasser tun ihr zerstörendes Werk.  Und der Bund mit dem Tod erweist sich als Trug, als falsche Sicherheit.

            Ohne Bild: Die Bündnispolitik des Hiskia, so gut sie auch bedacht ist, wird dem Land keine Ruhe bringen. Wer sich in ihr geborgen fühlt, wird erschreckt spüren müssen: Das Bett ist zu kurz, die Decke zu schmal. Diese Bündnispolitik schützt nichts und niemanden. Wenn das Assyrerheer erst einmal da ist, wird dieses Paktsystem in seiner Hinfälligkeit entlarvt werden.   

21 Denn der HERR wird sich aufmachen wie am Berge Perazim und toben wie im Tal Gibeon, dass er sein Werk vollbringe, aber fremd ist sein Werk, und dass er seine Tat tue, aber seltsam ist seine Tat!

            Am Perazim hatte David die Philister vernichtend besiegt, weil „David tat, wie der HERR ihm geboten hatte“ (2. Samuel 5, 25) Bei Gibeon unterlagen die kanaanäischen Könige dem Heer Josuas. „Und der HERR erschreckte sie vor Israel, dass sie eine große Schlacht schlugen bei Gibeon.“ (Josua 10,10) So hat Gott sich in den Anfangszeiten Israel gezeigt – auf der Seite seines Volkes, schützend, stärkend, Als Hilfe gegen die Feinde. Weil sich die, die das Volk führten, auf ihn verließen.

            Jetzt aber macht Gott sich auf zum Gericht. Es ist ein fremdes Werk, das er da tun muss. Er ist dazu regelrecht gezwungen, durch die Abwege des Volkes. Er kann nicht einfach geschehen lassen, was da im Gang ist. Aber es ist gegen sein Herz, gegen seinen innersten Willen, dass er so mit seinem Volk ins Gericht muss. 

22 So lasst nun euer Spotten, auf dass eure Bande nicht fester werden; denn ich habe von einem Verderben gehört, das von Gott, dem HERRN Zebaoth, beschlossen ist über alle Welt.

             Der Prophet wendet sich nun direkt an die, die spotten, „die Sprüchemacher“ (28,14). Die sich ihrer Sache so sicher sind, die für alternativlos halten, was sie tun. Er warnt sie: Euer Tun führt nur dazu, dass eure Bande fester werden. Ihr, die ihr euch so frei fühlt, so sicher durch eure Bündnis-Planung, verspielt in Wahrheit eure letzte Freiheit. Ihr verstrickt euch in das Unheil, das vor der Tür steht. Ein Unheil, das nicht nur den Zion treffen wird, sondern alle Welt. 

            Man muss dabei nicht gleich an die kosmische Katastrophe und das Ende der Welt denken. Es reicht, sich vor Augen zu halten: Der Assyreransturm wird die ganze seitherige Weltordnung im Raum rund um Juda und Jerusalem über den Haufen werfen. So wie 100 Jahre später der Ansturm der Truppen Nebukadnezars und weitere 70 Jahre später der Ansturm der Perser unter Cyros. Die Weltordnung ist auch damals schon nicht so stabil, wie es sich viele erträumen und erhoffen.

            Gott lässt das zu, diese instabilen Verhältnisse – weil er in ihnen nach dem Glauben derer sucht, die sich an ihn halten. Gott geht mit seiner Welt seinen Weg und der schließt mit ein, dass es Krisenzeiten gibt, Zeiten, die von uns die Bewährung des Glaubens herausfordern. Der Weg Gottes geht auch durch die dunklen Täler der Angst. Auf allen diesen Wegen sucht er unser Vertrauen.

Zum Weiterdenken

Es ist die Unterscheidung, die für Luther so wichtig ist, in meinen Augen ein Schlüsselgedanke für das Denken über Gott, auch für Gotteserfahrungen: Das Heil ist Gottes Herzensanliegen, sein innerstes Werk. Das Gericht dagegen ist das opus alienum Dei, Gottes fremdes, tötendes Werk. Es kann, es muss manchmal das andere, das eigene Werk Gottes verbergen bis zur Unkenntlichkeit: Seinen Willen, Leben zu schaffen und Leben zu schenken, Barmherzigkeit zu üben und sich zu erbarmen

            Es trifft doch auch heute noch zu: Wir planen und verlieren über all dem Planen die Freiheit. Wir sind in einem reichen Land schon längst Gefangene von Prozessen, die wie selbstständig, eigengesetzlich ablaufen. Die Erwartung, dass irgendwer, ein Mächtiger, eine Mächtige das lösende Machtwort sprechen kann, ist da. Sie nimmt überhand. Weil sie aber unerfüllbar ist in einem System ausbalancierter Gewaltenteilung, treibt diese Erwartung, viele, zu viele, auch zu viele Christen/Christinnen in die Arme von Sprüchemachern, die so tun, als hätten sie die Lösungen.

Herr Gott, wie viele Papiere werden ausgefertigt, Verhandlungen zum Abschluss gebracht, Vereinbarungen getroffen. Wie oft ahnen wir: Ob sie das Papier wert sind, das mit viel Getöse unterschrieben worden ist, wird sich zeigen müssen – im Tun, im Verhalten. Wenn wir unsere Übereinkünfte durch unser Tun mit Lügen strafen, so entehren wir uns selbst. Du musst uns nicht überführen und nicht verurteilen. –

Du Gott, willst nicht unsere Sprüche. Du willst, dass wir tun, was wir gelobt haben, dass wir Wort halten. Du willst von uns Christen und Christinnen unser Hören auf Dein Wort, unser Schweigen vor Dir. wenn wir so still werden, vor Dir, in den Geschwätzigkeiten der Zeit, werden wir – vielleicht – irgendwann einmal, auch wieder etwas zu sagen haben – erlauscht aus Deiner Wahrheit. Amen

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