Nüchtern

Matthäus 26, 31 – 35

31 Da sprach Jesus zu ihnen: In dieser Nacht werdet ihr euch alle ärgern an mir; denn es steht geschrieben: »Ich werde den Hirten schlagen, und die Schafe der Herde werden sich zerstreuen.« 32 Wenn ich aber auferstanden bin, will ich vor euch hingehen nach Galiläa. 33 Petrus aber antwortete und sprach zu ihm: Wenn sich auch alle an dir ärgern, so will ich doch mich niemals ärgern. 34 Jesus sprach zu ihm: Wahrlich, ich sage dir: In dieser Nacht, ehe der Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen. 35 Petrus sprach zu ihm: Und wenn ich mit dir sterben müsste, werde ich dich nicht verleugnen. Das Gleiche sagten auch alle Jünger.

Es ist ein Sache, ein Bild von sich selbst zu haben, und eine andere, dieses Bild mit der Wirklichkeit zu konfrontieren. In unseren Selbstbildern sind wir häufig genug tapfer, treu, hingegeben an eine große Aufgabe. Die wenigsten träumen davon, dass sie scheitern werden. Es ist der liebevolle Blick Jesu auf seine Jünger der ihn sagen lässt: In dieser Nacht werdet ihr scheitern. Liebevoll, weil er mit dieser Ansage zugleich signalisiert: Dieses Scheitern ist nicht das Ende unserer Beziehung. Da kommt noch ein zweiter Akt, ein Neuanfang nach dem Ende.

Es kommt vermutlich darauf an, wie man diese Passage liest: Man kann in ihr das schonungslose Aufdecken menschlicher Schwäche finden. Auch bei den Jüngern. Sie sind keine Elitesoldaten, die bis in den Tod treu für ihren Anführer kämpfen werden. Sie werden sich als ängstlich erweisen, als Leute, die die eigene Haut durch Flucht retten wollen.

Darin sind sie nicht Vorbild für die zukünftige Gemeinde, aber sie sind, wenn man so will, ihr Prototyp. Die Gemeinde Jesu ist durch die Zeit hindurch nicht nur ein Bild der Nachfolge, sie ist auch ein Bild von Fluchtversuchen. Verbal tapferer als in der Wirklichkeit.

Es ist auch die Erzählung einer liebevollen Warnung. Halte dich selbst nicht für stärker, für tapferer, für konsequenter als alle anderen. Traue dir nicht, wenn du von dir selbst sagst: Ich bin der letzte Fels in der Brandung. Ich erinnere mich, ein wenig erschrocken, an eine Gespräch, in dem mir jemand sagte: „Wenn ich den Laden, gemeint war seine Kirchengemeinde, nicht zusammenhalte, dann bricht hier alles zusammen.“ So denken nicht Pfarrer und Pfarrerinnen, so denken auch manche Ehrenamtliche. Und spüren nicht, wie sie dabei sind, sich selbst grenzenlos zu überfordern.

Es ist – in meinen Augen – ungemein tröstlich, dass Jesus seinen Jüngern in dieser Nacht seine Treue zusagt. Er wird an ihnen festhalten, durch den Tod hindurch, in die neue Sphäre seiner Auferstehung. Seine Treue bleibt, auch wenn wir wanken. 

Mein treuer Gott, auf deiner Seite bleibt dieser Bund wohl feste stehn;
wenn aber ich ihn überschreite, so lass mich nicht verloren gehn;
nimm mich, dein Kind, zu Gnaden an, wenn ich hab einen Fall getan.

                                                                  J. J. Rambach 1735, EG 200

Ob ich nicht auch manchmal den Mund arg voll genommen habe? Ob ich nicht in jüngeren Jahren auch manchmal eine Glaubensfestigkeit beschworen habe, die über meine Kräfte ging? Ich bin froh, dass Du, mein Gott, mich nie in die Situation gebracht hast, meine großen Worte auch leben zu müssen. Und jetzt hoffe ich, auf meine alten Tage, dass Du mir hilfst, Dir treu zu bleiben, auch in den Zeiten, die mir nicht gefallen werden. Amen

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