Offenbarung 19, 11 – 21
11 Und ich sah den Himmel aufgetan; und siehe, ein weißes Pferd. Und der darauf saß, hieß: Treu und Wahrhaftig, und er richtet und kämpft mit Gerechtigkeit. 12 Und seine Augen sind wie eine Feuerflamme, und auf seinem Haupt sind viele Kronen; und er trug einen Namen geschrieben, den niemand kannte als er selbst. 13 Und er war angetan mit einem Gewand, das mit Blut getränkt war, und sein Name ist: Das Wort Gottes.
Eine neue Szene. Der Himmel öffnet sich. Nicht mehr nur Zeichen am Himmel. Die Tore des Himmels sind aufgetan. Die Passivform spricht dafür: Geöffnet von Gott. Zuerst sieht der Seher ein weißes Pferd, dann den, der darauf sitzt.
In die Beschreibung des Reiters auf dem Pferd fließen Elemente ein, die schon zuvor in der Offenbarung mit Jesus verbunden worden sind: Augen wie eine Feuerflamme (1,14), mit Blut getränkt (5,9) und im nachfolgenden Text der eiserne Stab (12,5). Das ist kein Zufall, entfaltet sich doch in dieser Szene die Wirklichkeit Jesu. Jetzt wird offenbar, offenkundig vor aller Augen, wer er ist. Der Christus.
14 Und ihm folgte das Heer des Himmels auf weißen Pferden, angetan mit weißem, reinem Leinen. 15 Und aus seinem Munde ging ein scharfes Schwert, dass er damit die Völker schlage; und er wird sie regieren mit eisernem Stabe; und er tritt die Kelter, voll vom Wein des grimmigen Zornes Gottes, des Allmächtigen, 16 und trägt einen Namen geschrieben auf seinem Gewand und auf seiner Hüfte: König aller Könige und Herr aller Herren.
Christus führt das Heer des Himmels. Alle die ihm folgen, auf weißen Pferden. In reinen Gewändern. Nicht befleckt, auch nicht blutbeschmiert. Es ist ein Heer, das nicht zum Kampf auszieht, sondern eher wie zu einer feierlichen Prozession. Das den Sieger begleitet. Und jetzt wird sein Name enthüllt: König aller Könige und Herr aller Herren. Zuvor wird schon der andere Name genannt: Das Wort Gottes.
Das erinnert an den Anfang des Johannes-Evangeliums. „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort.“ (Johannes 1,1) Auch an den Anfang des Hebräer-Briefes: „Nachdem Gott vorzeiten vielfach und auf vielerlei Weise geredet hat zu den Vätern durch die Propheten, hat er in diesen letzten Tagen zu uns geredet durch den Sohn, den er eingesetzt hat zum Erben über alles, durch den er auch die Welt gemacht hat.“ (Hebräer 1,1-2) Aufgenommen im Bekenntnis von Barmen: „Jesus Christus, wie er uns in der Heiligen Schrift bezeugt wird, ist das eine Wort Gottes, das wir zu hören, dem wir im Leben und im Sterben zu vertrauen und zu gehorchen haben.“ (Theol. Erklärung – Bekenntnissynode von Barmen 29.-31. 5. 1934, These I, zit. nach EG-EKHN 810)Das Wort Gottes. Diese knappe Wendung sichert das bleibende Recht der Wort-Gottes-Theologie, wie sie in der Erklärung von Barmen auch geschichtsträchtig geworden ist. Dies ist eben nicht die Erfindung irgendwelcher Theologen, es ist ein Hoheit-Titel der Schrift.
Das Kommen Christi ist ein Kommen in Hoheit und Herrlichkeit. Der ohnmächtige Menschensohn, von dem die Evangelien erzählen, kommt in der himmlischen Macht, mit allen Attributen des Siegers. Nicht von ungefähr taucht deshalb auch als Gottesbezeichnung auf: der Allmächtige. Pantokrator. Darauf hofft die verfolgte Gemeinde, dass er sich so erweist. Das verspricht die Offenbarung, Seite um Seite.
17 Und ich sah einen Engel in der Sonne stehen und er rief mit großer Stimme allen Vögeln zu, die hoch am Himmel fliegen: Kommt, versammelt euch zu dem großen Mahl Gottes 18 und esst das Fleisch der Könige und der Hauptleute und das Fleisch der Starken und der Pferde und derer, die darauf sitzen, und das Fleisch aller Freien und Sklaven, der Kleinen und der Großen!
Wo Aas ist, sammeln sich die Geier. Nicht mehr zur Schlacht ruft der Engel, sondern zu einem schauerlichen Leichen-Mahl. Ein erschreckendes Bild: Die Vögel hacken auf dem Fleisch der Leichname herum. Mehr Schändung geht kaum. Es sind Bilder, die unangenehm berühren. Uns fremd. Und irgendwie will es auch nicht zusammenpassen mit dem Gott, an dessen Barmherzigkeit ich glaube. Aber ich ahne: Ich kann nur beten, dass mir solche Zeiten erspart bleiben, in denen sich die Erfahrungen von Ohnmacht und Angst in abgrundtiefen Hass verwandeln.
19 Und ich sah das Tier und die Könige auf Erden und ihre Heere versammelt, Krieg zu führen mit dem, der auf dem Pferd saß, und mit seinem Heer. 20 Und das Tier wurde ergriffen und mit ihm der falsche Prophet, der vor seinen Augen die Zeichen getan hatte, durch welche er die verführte, die das Zeichen des Tieres angenommen und das Bild des Tieres angebetet hatten. Lebendig wurden diese beiden in den feurigen Pfuhl geworfen, der mit Schwefel brannte. 21 Und die andern wurden erschlagen mit dem Schwert, das aus dem Munde dessen ging, der auf dem Pferd saß. Und alle Vögel wurden satt von ihrem Fleisch.
Das ist der Endkampf, die letzte Schlacht. Merkwürdig. Man „sieht“ gerade noch so den Aufmarsch der Truppen, das Tier und die Könige auf Erden und ihre Heere versammelt. Aber dann: Keine Ortsangabe! Auch Harmagedon (16,16) wird nicht als der Ort dieses Kampfes benannt. Keine Schilderung der Schlacht! Da ist nichts zu schildern. Wer die Schlachtenschilderungen aus Filmen unserer Zeit im Bildergedächtnis hat, ob aus dem „Soldaten James Ryan“ oder dem „Herrn der Ringe“, die in epische Breite mit Gewaltbildern schwelgen, der ist durch die Kargheit hier erstaunt. Das Tier wurde ergriffen, der falsche Prophet dazu, sie werden verworfen, die anderen erschlagen. Fast unwillig scheint der Seher in der Schilderung, die keine ist. Nur eine Feststellung des Ergebnisses.
Man hätte es wissen können: Der Ausgang dieser Schlacht war nie offen. Weshalb also sollte sie breit erzählt werden? Der Bibel liegt nicht an der Dramatik, wie wir sie lieben, solange wir nicht selbst beteiligt sind. Für die Leser ist allein dies eine wichtig: Die Macht des Tieres und aller seiner Genossen ist endgültig und für immer gebrochen. Keine Angst mehr. Es hat keinen Zugriff mehr auf euch.
Mein Gott, wie gut, dass der Seher keine Schlachten sehen muss, keinen Sieg besingen muss. Wie gut, dass wir uns nicht auf eine Schlacht von Harmagedon vorbereiten müssen. Die Art Deiner Siege wird nicht auf dem Schlachtfeld errungen. Und die Siegeszeichen, die Du verleihst, messen sich nicht an der Zahl der Feinde, die wir zur Strecke gebracht haben.
Dein Sieg ist die Lieb, die den Hass überwindet, die Feindschaft entwaffnet. Dein Sieg ist das Kreuz, das Du auf Dich genommen hast, und die Liebe, die Du durchgehalten hast, bis ans Ziel. Ich danke Dir für Deinen Sieg, Ich berge mich in Dir, den -sieger am Kreuz und der Auferstehung. Amen