Ist Gott eifersüchtig, egoistisch?

1. Mose 11, 1 – 9

1 Es hatte aber alle Welt einerlei Zunge und Sprache. 2 Als sie nun von Osten aufbrachen, fanden sie eine Ebene im Lande Schinar und wohnten daselbst. 3 Und sie sprachen untereinander: Wohlauf, lasst uns Ziegel streichen und brennen! – und nahmen Ziegel als Stein und Erdharz als Mörtel 4 und sprachen: Wohlauf, lasst uns eine Stadt und einen Turm bauen, dessen Spitze bis an den Himmel reiche, dass wir uns einen Namen machen; denn wir werden sonst zerstreut über die ganze Erde. 5 Da fuhr der HERR hernieder, dass er sähe die Stadt und den Turm, die die Menschenkinder bauten. 6 Und der HERR sprach: Siehe, es ist einerlei Volk und einerlei Sprache unter ihnen allen und dies ist der Anfang ihres Tuns; nun wird ihnen nichts mehr verwehrt werden können von allem, was sie sich vorgenommen haben zu tun. 7 Wohlauf, lasst uns herniederfahren und dort ihre Sprache verwirren, dass keiner des andern Sprache verstehe! 8 So zerstreute sie der HERR von dort über die ganze Erde, dass sie aufhören mussten, die Stadt zu bauen. 9 Daher heißt ihr Name Babel, weil der HERR daselbst verwirrt hat aller Welt Sprache und sie von dort zerstreut hat über die ganze Erde.

Das Projekt Turmbau – Folge von Größenwahn oder Folge von Angst? Vielleicht ist es gar keine Alternative? Auch ziemlich größenwahnsinnige Menschen wissen, dass Wolkenkratzer nicht bis in den Himmel reichen, dass sie nicht wirklich an den Wolken kratzen. Warum also so ein Turm? Es ist leicht, diesen Text auf Ruhmsucht hin zu verstehen, auch auf Übermut, Hochmut, Hybris. Aber es geht erst einmal um etwas sehr Verständliches: Sie ahnen, dass sie in der Vereinzelung allzu rasch auch vereinsamen können. „Allein gehst du ein.“ Darum versuchen sie, sich eine gemeinsame Mitte zu schaffen, einen Ort, an dem sie sich orientieren können.  Ob man dann verstehen muss: Gott will das nicht – oder doch nur: Gott will keine Einheit, die nicht in ihm ihren Grund und ihr Ziel hat. So gelesen ist der Eingriff Gottes zwar ein bisschen „egoistisch“ und hat in der Eifersucht Gottes seinen Grund. Aber es könnte sein – dieser Eingriff wehrt Schlimmerem – einer Ordnung, einem Staat, der nur das eigene Maß kennt und der alle Menschen unter diese eigene Maß zu beugen geeignet ist. Dann ist es nicht Eifersucht oder Neid, der Gott bewegt, auch nicht Selbstsucht, die nur die eigene Größe schützen und gelten lassen will. Es ist vielmehr seine Fürsorge, die nicht möchte, dass der Mensch, dass die Menschheit sich übernimmt. 

Es ist eine Gratwanderung, die berechtigte Suche nach dem einenden Symbol zu sehen und die Gefahr der Selbstüberhebung nicht zu übersehen. Bis zum Himmel wird es nie reichen, auch nicht, wenn die Menschheit sich einig ist. Es wäre schon viel, wenn wir es auf der Erde zu einem vernünftigen Miteinander brächten. Ich teile nicht die Angst vor der Globalisierung, auch nicht die Angst vor einer einigen Weltgemeinschaft.

Aber: Es ist nicht bei dem kleinen Türmchen des Anfangs geblieben. Es ist weitergegangen. Erfindung folgt Erfindung, Verbesserung folgt Verbesserung. Der Fortschritt ist unaufhaltsam in seiner inneren Logik: höher, schneller, weiter. Die Erzählung von Turmbau ist Menschheitsgeschichte im Zeitraffer. Gottes Bremsversuch erweist sich als lediglich kurzzeitige Störung. Wir Menschen haben das Gesicht der Erde verwandelt. Ob es eine nachhaltige Verwandlung ist, steht in den Sternen. Die Skepsis über unsere Fortschritte wächst. 

Mir ist es sehr wichtig: Der Erzählung von der Sprachverwirrung steht ja im großen Zusammenhang der Schrift die andere Erzählung gegenüber – dass es der Geist Gottes ist, der fremde Sprachen verstehen lässt: Pfingsten ist die Antwort Gottes auf den Turm von Schinar. Der Geist Gottes wirkt, was dem Versuch im Land Schinar verwehrt geblieben ist – eine Einheit allerdings, die nicht aus der gemeinsamen Tat, sondern aus dem gemeinsamen Hören kommt. Es sind die großen Taten Gottes, nicht die Großtaten der Menschen, die über alle Grenzen hinweg verbinden und versöhnen.

Die Bäume wachsen nicht in den Himmel und die Wolkenkratzer sind aus der Perspektive des Himmels nur Erdhügel wie Maulwurfshaufen. Die Erzählung spricht davon, dass unserem Denken und Tun Grenzen gesetzt sind. Was bleibt ist ein Handeln in diesen Grenzen. Und dafür ist Dankbarkeit angesagt. Es gibt Hoffnung für den Patienten mit einem Tumor, weil es gelungen ist, Medikamente zu entwickeln, die zielgenau den Tumor angreifen, Produkt eine medizinischen Fortschritts, der noch vor wenigen Jahren eine Utopie war.  

           Trotzdem denke ich nicht, dass wir als Menschheit alles können. Schon gar nicht, dass alles, was wir können, schon deshalb gut ist, weil wir es können, weil ich denke, dass der moralische Fortschritt der Menschheit nicht Schritt gehalten hat mit dem Naturwissenschaftlich-technischen Fortschritt und seinen Möglichkeiten. So gesehen ist die Intervention Gottes seine Voraussicht, providentia dei, die schrankenlose Machbarkeit zumindest erschwert, uns zugute.

Manchmal, mein Gott, denke ich zu klein von Dir. Du bist nicht eifersüchtig auf das, was wir Menschen schaffen. Du bist nicht eifersüchtig, wenn wir uns zusammenfinden, um der Einsamkeit zu entfliehen. Du verstehst, dass wir gemeinsame Zeichen und Symbole brauchen, weil Du selbst uns so auf Gemeinschaft hin geschaffen hast.

Aber Du willst uns davor bewahren, dass wir geknechtet werden durch eine Einheit, die uns keine Freiheit mehr lässt. Dass wir uns freiwillig unterwerfen unter Größenwahn und Machtanspruch. Gib uns, dass wir Deine Fürsorge erkennen, aich da, wo sie unserem Streben Grenzen setzt. Amen

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