- Mose 19, 30 – 38
30 Und Lot zog weg von Zoar und blieb auf dem Gebirge mit seinen beiden Töchtern; denn er fürchtete sich, in Zoar zu bleiben; und so blieb er in einer Höhle mit seinen beiden Töchtern. 31 Da sprach die ältere zu der jüngeren: Unser Vater ist alt und kein Mann ist mehr im Lande, der zu uns eingehen könnte nach aller Welt Weise. 32 So komm, lass uns unserm Vater Wein zu trinken geben und bei ihm schlafen, dass wir uns Nachkommen schaffen von unserm Vater. 33 Da gaben sie ihrem Vater Wein zu trinken in derselben Nacht. Und die erste ging hinein und legte sich zu ihrem Vater; und er ward’s nicht gewahr, als sie sich legte noch als sie aufstand. 34 Am Morgen sprach die ältere zu der jüngeren: Siehe, ich habe gestern bei meinem Vater gelegen. Lass uns ihm auch diese Nacht Wein zu trinken geben, dass du hineingehst und dich zu ihm legst, damit wir uns Nachkommen schaffen von unserm Vater. 35 Da gaben sie ihrem Vater auch diese Nacht Wein zu trinken. Und die jüngere machte sich auch auf und legte sich zu ihm; und er ward’s nicht gewahr, als sie sich legte noch als sie aufstand. 36 So wurden die beiden Töchter Lots schwanger von ihrem Vater. 37 Und die ältere gebar einen Sohn, den nannte sie Moab. Von dem kommen her die Moabiter bis auf den heutigen Tag. 38 Und die jüngere gebar auch einen Sohn, den nannte sie Ben-Ammi. Von dem kommen her die Ammoniter bis auf den heutigen Tag.
Was für eine Kumpanei zwischen den beiden Töchtern. Weil gemeinsames Unrecht nur halb so schlimm ist? Inzest ist in den Augen des Schreibers ein unentschuldbares und unerklärliches Vergehen, auch wenn er einfach nur erzählt. Scheinbar moralfrei erzählt. Die Söhne der Töchter Lots, deren Namen wir bezeichnenderweise nicht erfahren, tragen Namen, die auf die späteren Völker hinweisen: Moab und Ben-Ammi. Auch sie also: Stamm-Mütter! Und stolz auf ihre Söhne, auch auf die Art, wie sie zustande gekommen sind? Es könnte sein – der Name Moab kann auch so gelesen werden: „vom Vater“ und Ben-Ammi „Vater-Bruder“ Dann würde sich in diesen Namen spiegeln, dass Lots Töchter sagen: Wir haben es geschafft. Von Scham keine Spur.
Gleichwohl ist das vermutlich der eigentliche Sinn der Erzählung: Sie will darauf hinweisen, dass die beiden Völker, die Moabiter und Ammoniter, die Israel oft genug zu schaffen machen, eine moralisch zweifelhaft Herkunft haben. Es ist, aus der Perspektive Israels ein vernichtendes Urteil: Kein Wunder, dass diese Völker bei dieser Herkunft sind, wie sie sind. Und doch:Ruth, Vorfahrin des Davids, im Stammbaum Jesu genannt, kommt aus dem Volk der Moabiter!
In einer Zeit, in der die Frage nach Kindern oft negativ ausfällt, weil sie Zukunftschancen im Blick auf Karriere und Wohlstand gefährden, ist das eine merkwürdig Geschichte. Da werden Kinder gezeugt, jenseits aller Legalität, auch jenseits einer liebevollen Beziehung. In anderen Gegenden der Welt, in den Hunger und Krieg grassieren, kommen Kinder zur Welt, einfach nur, damit das Leben weiter geht.
Du heiliger Gott, Du siehst, was wir Menschen alles auf den Weg bringen – aus Angst vor dem Alleinsein, aus Angst vor einem Leben, das keine Zukunft mehr hat. Ob Du die Töchter Lots für ihr Tun moralisch verachtet hast? Wehre Du uns allen Hochmut, der sich billig entrüstet und darüber versäumt, dem Leben zu dienen. Wehre Du allem raschen Urteilen über die, die keine andere Zukunft für sich sehen als Kinder zu haben – ihrer Armut und ihren Elend zum Trotz. Amen
Der Entschluss, keine Kinder haben zu wollen, kann auch noch andere Gründe haben als der von Ihnen genannte. Meine Schwiegertochter erlebte als Jugendliche die Katastrophe von Tschernobyl und beschloss
damals, dass sie in diese Welt keine Kinder setzen wolle. Dasselbe habe ich kürzlich über heutige Jugendliche gelesen, die wegen der Klimakrise unter Zukunftsangst leiden – und sich nicht ohne Grund „Letzte Generation“ nennen.