Römer 7, 7 – 13
7 Was wollen wir hierzu sagen? Ist das Gesetz Sünde? Das sei ferne! Aber die Sünde erkannte ich nicht außer durchs Gesetz. Denn ich wüsste nichts von der Begierde, wenn das Gesetz nicht gesagt hätte: »Du sollst nicht begehren!« 8 Die Sünde aber nahm das Gebot zum Anlass und erregte in mir Begierden jeder Art; denn ohne das Gesetz war die Sünde tot. 9 Ich lebte einst ohne Gesetz; als aber das Gebot kam, wurde die Sünde lebendig, 10 ich aber starb. Und so fand sich’s, dass das Gebot mir den Tod brachte, das doch zum Leben gegeben war. 11 Denn die Sünde nahm das Gebot zum Anlass und betrog mich und tötete mich durch das Gebot. 12 So ist also das Gesetz heilig, und das Gebot ist heilig, gerecht und gut. 13 Ist dann, was doch gut ist, mir zum Tod geworden? Das sei ferne! Sondern die Sünde, auf dass sie als Sünde sichtbar werde, hat mir durch das Gute den Tod gebracht, auf dass die Sünde über alle Maßen sündig werde durchs Gebot.
Es ist nicht so einfach für Paulus. Weil er weiß, dass seine Worte so wirken könnten, als würde er gegen das Gesetz sein. Als würde er alles, was auch nur von weitem nach Regelung klingt, ablehnen. Worum es ihm geht, ist kein Angriff auf das Gesetz. Wohl aber eine Aufweisen von „Nebenfolgen.“ Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß“, weiß der Volksmund. Er weiß allerdings auch: Gerade das Verbot verlockt! Was verboten ist, hat und entfaltet den Reiz des Verbotenen.
Es ist ein betörend einfacher und zugleich einfältiger Gedanke: Hätte Gott nichts verboten, gäbe es keine Sünde und keine Sünder. Aber so einfach macht es uns Paulus nicht. Das Gesetz hilft mir, dass ich sehe, was mein Tun bewirkt, wie es mich von Gott wegbringt. Andersherum: Es erlaubt mir nicht, was ich tue, schön zu reden.
Wenn man statt Begierden Gier sagt, dann ist man einen Schritt weiter.Begierde, darf nicht zu eng gelesen werden, womöglich nur in Richtung Sexualität. „Du sollst nicht begehren deines Nächsten Haus. Du sollst nicht begehren deines Nächsten Frau, Knecht, Magd, Rind, Esel noch alles, was dein Nächster hat.“ (2. Mose 20,17) Es gibt eine Gier, die in alle Lebensbezüge hinein greift. In unserer Zeit gibt es das nicht so selten, dass die Gier regelrecht als Grundzug des Menschen behauptet wird. Die Werbung spricht sie unverblümt an: „Geiz ist geil.“ Manche halten sie für unverzichtbar. Ohne Gier funktioniert der Kapitalismus nicht. Es braucht – so die Trainer, Gier, um Tore zu schießen und Spiele zu gewinnen. Paulus dagegen sieht Gier, die Begierde als ein Verhalten, das durch das Gebot als Sünde sichtbar wird. Geiz macht einsam. Gier auch.
Auch das ist heutzutage eine Tendenz: Gebote auf ihren Sinn zu reduzieren und ihre Buchstäblichkeit irgendwie zu relativieren. Es gibt das berühmte Zitat eines Bundes-Innenministers aus grauer Vorzeit: „Die Beamten können nicht den ganzen Tag mit dem Grundgesetz unter dem Arm herumlaufen.“ (H. Höcherl 1963) Die Relativierung der wörtlichen Bedeutung von Geboten scheint dabei ganz auf der Linie des Paulus zu liegen: „Der Buchstabe tötet, aber der Geist macht lebendig.“ (2. Korinther 3,6) Wir tun uns allerdings mit solcher Sichtweise keinen Gefallen, weil wir damit das objektive Gebot der subjektiven Betrachtungsweise unterwerfen. So zu denken und zu handeln ist das Ende jeder verbindlichen Gemeinschaft.
Gib mir, mein Gott, dass ich Deine Wegweisung achte. Lehre mich die Achtung, die dem Gebot zukommt, dass so oft vor Irrwegen bewahrt hat. Gib mir, dass ich mich nicht so einfach vom Gehorsam gegen Dein Gebot freimache. Gib mir die Geduld, danach zu fragen, wie wir heute Deinem Gebot folgen können, wie es uns vor Gefahren bewahrt und hilft, Deinen Willen zu suchen. Amen