Familiendrama

  1. Mose 9, 18 – 29

18 Die Söhne Noahs, die aus der Arche gingen, sind diese: Sem, Ham und Jafet. Ham aber ist der Vater Kanaans. 19 Das sind die drei Söhne Noahs; von ihnen kommen her alle Menschen auf Erden. 20 Noah aber, der Ackermann, pflanzte als Erster einen Weinberg. 21 Und da er von dem Wein trank, ward er trunken und lag im Zelt aufgedeckt. 22 Als nun Ham, Kanaans Vater, seines Vaters Blöße sah, sagte er’s seinen beiden Brüdern draußen. 23 Da nahmen Sem und Jafet ein Kleid und legten es auf ihrer beider Schultern und gingen rückwärts hinzu und deckten ihres Vaters Blöße zu; und ihr Angesicht war abgewandt, damit sie ihres Vaters Blöße nicht sähen. 24 Als nun Noah erwachte von seinem Rausch und erfuhr, was ihm sein jüngster Sohn angetan hatte, 25 sprach er: Verflucht sei Kanaan und sei seinen Brüdern ein Knecht aller Knechte! 26 Und sprach weiter: Gelobt sei der HERR, der Gott Sems, und Kanaan sei sein Knecht! 27 Gott schaffe Jafet weiten Raum und lasse ihn wohnen in den Zelten Sems und Kanaan sei sein Knecht! 28 Noah aber lebte nach der Sintflut dreihundertfünfzig Jahre, 29 dass sein ganzes Alter ward neunhundertfünfzig Jahre, und starb.

Es ist eine Geschichte aus einer anderen Zeit, einer anderen Welt. Zugleich ist es so nah: Der Erfinder Noah ist von seiner Erfindung überfordert. Er wird um Opfer seiner eigenen Entdeckung. Er weiß noch nicht, mit seinem neuen Produkt umzugehen. Noah trinkt und wird betrunken. Das wird völlig nüchtern ohne jeden moralischen Zeigefinger erzählt.  Ob uns das nicht bekannt vorkommt? Wir sind längst auch Opfer dessen, was wir Fortschritt nennen.

In einer Zeit, in der es gang und gäbe ist, halbnackte oder nackte Menschen zu zeigen, zu filmen- welcher Film kommt heute noch ohne Nacktszenen aus? -, sich so zur Schau zu stellen, sich selbst im vertrauten Familienkreise auch nicht ängstlich bedeckt zu halten, ist die Erzählung in ihrer Konsequenz kaum noch verständlich. Wir verstehen nicht wirklich, was am Verhalten Hams so schrecklich gewesen sein soll. Man kann schon danach fragen, ob uns nicht etwas fehlt in dieser Zeit, in der die Scham irgendwie abhandengekommen ist. So dass wir auch die Schattenseiten der Schamlosigkeit allmählich schmerzhaft sehen lernen. Wo die Scham verschwunden ist, feiert die Schamlosigkeit Triumphe und macht Menschen ungehemmt zu Objekten – der Gier, der Gewalt, des vermeintlichen Rechtes auf Macht und Erfolg nach eigenem Gutdünken. Umso wichtiger das Plädoyer im Verhalten von Sem und Jafet – Behutsamkeit, Achtung, Wahren der Würde, vor allem auch der Würde dessen, der entblößt ist, warum auch immer.

Uns ist mehr als nur die Scham verloren gegangen, mein Gott. Mit der Scham auch die Achtung vor dem Recht eines jeden Menschen auf Schutz und Wahrung seiner Würde. Wir lernen schwer daran, dass es für den anderen/die andere eine tiefe Kränkung ist, wenn er/sie bloß gestellt wird, neugierigen Blicken und spöttischen Worten preisgegeben. Wir haben noch viel zu lernen aus Deinem Wort, bis es bei uns wirklich gilt: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Amen

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