Die Stadt aus dem Himmel

Offenbarung 21, 15 – 21

15 Und der mit mir redete, hatte einen Messstab, ein goldenes Rohr, um die Stadt zu messen und ihre Tore und ihre Mauer. 16 Und die Stadt ist viereckig angelegt und ihre Länge ist so groß wie die Breite. Und er maß die Stadt mit dem Rohr: zwölftausend Stadien. Die Länge und die Breite und die Höhe der Stadt sind gleich. 17 Und er maß ihre Mauer: hundertvierundvierzig Ellen nach Menschenmaß, das der Engel gebrauchte.

            Eine Stadt, die ebenmäßig ist. Wohlgestaltet. Vollkommen.Kein planloser Wildwuchs. In allem herrscht hier die ordnende Hand Gottes. Es ist für den antiken Leser zweifelsfrei das Idealbild einer Stadt, das sich hier eröffnet. Einmal mehr haben wir Vorlagen zu dieser Schau im Propheten-Buch. „Und als er mich dorthin gebracht hatte, siehe, da war ein Mann, der war anzuschauen wie Erz. Er hatte eine leinene Schnur und eine Messrute in seiner Hand und stand im Tor.“ (Hesekiel 40,3) Der Prophet wird Zeuge der Vermessung des neuen, göttlichen Heiligtums, des Tempels. Der Seher Johannes wird Zeuge der Vermessung der himmlischen Stadt. 

            Wenn man genau liest, kann man den Eindruck eines Würfels haben. Länge, Breite und Höhe der Stadt sind gleich. Eine Stadt im Ebenmaß, so wie der Tempel ein Bau im Ebenmaß ist. Die Zahlenangaben schreiben der himmlischen Stadt eine so gigantische Größe zu – zwölftausend Stadien entsprechen ca. 2200 km!, so dass Babylon daneben zu einem Kaff mutiert. Rom übrigens auch. 

            Der folgende Hinweis mag weiterhelfen. Seit Alexander dem Großen „war die „neue Stadt“ das progressivste gesellschaftliche Gebilde geworden, Gegenstand bewusster Planung und zukunftsorientierter Entwürfe. Ganze Städte wurden, noch bevor man sie erbaute, akribisch auf dem Reißbrett geplant, durchgerechnet. Sie hatten einen quadratischen Grundriss, ihre Tore waren symmetrisch angeordnet, Wasserversorgung und Abwasserentsorgung waren eingeplant, und durch diese Städtezogen sich breite Prozessions-Straßen mit Säulengängen auf beiden Seiten.“ (G. Lohfink, Am Ende das Nichts? Freiburg 2017) So also nimmt diese Vision auch die Gedanken der Zeit in sich auf. Und dient damit dem einen Gedanken: „Die Vollendung, die Gott am Ende aller Geschichte schenkt, ist keine Vollendung nur des Einzelnen, der nun ganz für sich sein Glück und seine Lust findet. Was Gott schenkt, ist vielmehr neue Gesellschaft, Begegnung, Versammlung und allseitige Kommunikation.“ (G. Lohfink, ebda.)   

18 Und ihr Mauerwerk war aus Jaspis und die Stadt aus reinem Gold, gleich reinem Glas. 19 Und die Grundsteine der Mauer um die Stadt waren geschmückt mit allerlei Edelsteinen. Der erste Grundstein war ein Jaspis, der zweite ein Saphir, der dritte ein Chalzedon, der vierte ein Smaragd, 20 der fünfte ein Sardonyx, der sechste ein Sarder, der siebente ein Chrysolith, der achte ein Beryll, der neunte ein Topas, der zehnte ein Chrysopras, der elfte ein Hyazinth, der zwölfte ein Amethyst. 21 Und die zwölf Tore waren zwölf Perlen, ein jedes Tor war aus einer einzigen Perle, und der Marktplatz der Stadt war aus reinem Gold wie durchscheinendes Glas.

            Das Beste ist gerade gut genug. Mauern aus Jaspis, die ganze Stadt aus reinem Gold. Der Jaspis kommt oft vor in den letzten Kapiteln der Offenbarung und immer ist er ein Hinweis auf überirdische Schönheit.

            „Von zwölf Perlen sind die Tore an deiner Stadt.

            Wir steh’n im Chore der Engel hoch um deinen Thron. “   P Nicolai 1599 EG 147

            Es lassen sich kaum Worte finden, um zu sagen, was unaussagbar ist, was kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat. Und es ist ein Ringen darum, diesem unsagbaren Reichtum irgendwie zu entsprechen und vor allem Ihm, der ihn schenkt, irgendwie zu entsprechen. Es mag sein, es ist ein Überschwang, der der Sprache der Zeit geschuldet ist. Aber es ist der Versuch, dieser überwältigenden Erfahrung gerecht zu werden, der Schönheit der Stadt und der Schönheit dessen, der der Herr dieser Stadt ist, „Herr aller Herren und König aller Könige.“ (17,14)

            O dass doch so ein lieber Stern soll in der Krippen liegen!
            Für edle Kinder großer Herrn gehören güldne Wiegen.
            Ach Heu und Stroh ist viel zu schlecht, Samt, Seide, Purpur wären recht,
            dies Kindlein drauf zu legen!

            Nehmt weg das Stroh, nehmt weg das Heu, ich will mir Blumen holen,
            dass meines Heilands Lager sei auf lieblichen Violen;
            mit Rosen, Nelken, Rosmarin aus schönen Gärten will ich ihn
            von oben her bestreuen.                      P. Gerhardt 1653, EG 37

            Das Beste ist gerade gut genug – für den Heiland und für seine Stadt. Das hat zu allen Zeiten Künstler beflügelt. Maler, Musiker, Schriftsteller, ihm ihre schönsten Melodien, ihre schönsten Bilder, ihre schönsten Texte zu widmen. Soli deo gloria.  

Zum Weiterdenken

            Ein Letztes: Wie finde ich als Bibelleser in meinem winzigen Vogelsbergdorf über dieses Nachdenken hinaus einen Zugang zu diesen Worten, der mein Leben heute betrifft? Ich weiß es nicht so recht. Der direkte Bezug zu meinem Leben fehlt, zu den Gedanken über die Kinder und Enkel. Zu dem, was heute hier zu tun ist. Das alles ist so weit weg von dieser ebenmäßigen Stadt und sie ist so weit weg von dem, was heute hier ist. Dahinein wirkt der himmlische Kubus wie ein Fremdkörper aus einer anderen Welt. Aber vielleicht habe ich ja genau das zu lernen. Die Hoffnung auf die kommende Stadt ist wie ein Fremdkörper aus einer anderen Welt. Nur so ist sie Hoffnung, die die Welt übersteigt. 

Mein Gott, ich spüre, dass die Bilder aus der anderen Welt mir helfen, die Bilder aus meiner Welt auszuhalten. Sie nicht für das Ende aller Wege zu halten. Ich spüre, dass es mir hilft, am Ende des Weges der Welt Deine Stadt zu glauben. Ein Leben, das nicht mehr überschattet ist von Angst und Schrecken. Es hilft mir, Hoffnung zu bewahren, dass am Ende nicht Utopia ist, sondern Erfüllung: Von Dir für Deine geliebten Völker, für uns. Amen

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