Offenbarung 17, 7 – 14
7 Und der Engel sprach zu mir: Warum wunderst du dich? Ich will dir sagen das Geheimnis der Frau und des Tieres, das sie trägt und sieben Häupter und zehn Hörner hat.
Jetzt nimmt der Engel das Wort. Mit einer Frage: Warum wunderst du dich? Ist es so erstaunlich, dass es keine friedliche Koexistenz gibt zwischen denen, die zu dem Lamm gehören und denen, die dem Tier anhängen? Ist es wirklich verwunderlich, dass die Toleranz-Schwelle dem christlichen Glauben gegenüber, wenn er denn lebensprägend ist, mehr und mehr sinkt? Stellt er doch in Frage, wie „man“ so lebt. Es muss einen nicht wundern, wenn Christen als irgendwie merkwürdige Hinterwelter gezeichnet werden, die der modernen Zeit im Weg stehen. Nicht mehr, seit Nazis und Stalinisten das gerne und intensiv und öffentlich betrieben haben.
Der Engel erklärt dem Seher, was er sieht, hilft ihm zum Verstehen – und mit Johannes auch uns. Es ist ein Geheimnis, das er enthüllt – deshalb ja auch der Name Offenbarung. Was sich nicht von selbst versteht, wird durch Gottes Engel enthüllt, aufgedeckt in seinem Wesen.
8 Das Tier, das du gesehen hast, ist gewesen und ist jetzt nicht und wird wieder aufsteigen aus dem Abgrund und wird in die Verdammnis fahren. Und es werden sich wundern, die auf Erden wohnen, deren Namen nicht geschrieben stehen im Buch des Lebens vom Anfang der Welt an, wenn sie das Tier sehen, dass es gewesen ist und jetzt nicht ist und wieder sein wird. 9 Hier ist Sinn, zu dem Weisheit gehört!
Allem Anschein zum Trotz: das Tier ist ein Nichts. Es macht Betrieb, aber es hat keine Zukunft. „Ein Wörtlein kann es fällen!“ (M. Luther) Das Tier ist gewesen und ist jetzt nicht und wird wieder sein. Diese Worte bilden einen schroffen Gegensatz zum Lobpreis der Gemeinde, die von Gott bekennt: Heilig, heilig, heilig ist Gott der Herr, der Allmächtige, der da war und der da ist und der da kommt. (4,8) Das Tier ist nichts als ohnmächtige Nachäffung, eine Chimäre, die in sich selbst zusammen stürzen wird. Darum geht es dem Engel in seinem Zeigen: Das Tier hat keine Zukunft.
Das aber sieht nur, erkennt nur, wer von Gottes Geist geleitet wird in seinem Sinn, seinem Denken und Fühlen, wer beständig ist in der Geduld. Wer in Gott seinen Haltepunkt gefunden hat. Wer nicht in Gott gebunden ist, der droht hier geblendet zu werden von dem Glanz der Macht und zu unterliegen.
Ich weiß, dass man aus der Wendung deren Namen nicht geschrieben stehen im Buch des Lebens vom Anfang der Welt an so etwas wie eine negative Vorherbestimmung lesen kann. Ich halte das nicht für sachgemäß und geboten. Es gibt ein Staunen des Glaubens: Ich bin von Anfang an geliebt. Seit dem Beginn der Welt.
Deine Augen sahen mich, als ich noch nicht bereitet war,
und alle Tage waren in dein Buch geschrieben,
die noch werden sollten und von denen keiner da war. Psalm 139,16
Aber an keiner Stelle der Schrift wird aus diesem dankbaren Staunen der hochmütige, kalt urteilende Satz: Die anderen sind von Anfang an verworfen. Ausgestrichen aus dem Buch des Lebens. Schlimmer noch: Gar nicht erst aufgenommen in dieses Buch. Dieses Buch von der leidenschaftlichen Liebe Gottes zu seinen Menschen, allen und seiner Suche nach ihnen, allen, verträgt sich nicht mit dem Gedanken einer Verwerfung von Anfang her und für alle Ewigkeit.
Die sieben Häupter sind sieben Berge, auf denen die Frau sitzt, und es sind sieben Könige. 10 Fünf sind gefallen, einer ist da, der andre ist noch nicht gekommen; und wenn er kommt, muss er eine kleine Zeit bleiben. 11 Und das Tier, das gewesen ist und jetzt nicht ist, das ist der achte und ist einer von den sieben und fährt in die Verdammnis. 12 Und die zehn Hörner, die du gesehen hast, das sind zehn Könige, die ihr Reich noch nicht empfangen haben; aber wie Könige werden sie für eine Stunde Macht empfangen zusammen mit dem Tier.
Rätselworte ohne Ende. Ist von der Stadt Rom die Rede und ihren sieben Bergen? Das liegt so nahe – aber selbst, wenn es zutrifft – die Worte gehen in dieser historischen Sicht nicht auf. Wir müssen weiter fragen – bis zu uns heute.
13 Diese sind eines Sinnes und geben ihre Kraft und Macht dem Tier. 14 Die werden gegen das Lamm kämpfen und das Lamm wird sie überwinden, denn es ist der Herr aller Herren und der König aller Könige, und die mit ihm sind, sind die Berufenen und Auserwählten und Gläubigen.
Für solche Machtversuchungen aber ist die Gemeinde, die dem Lamm folgt, eine einzige Provokation. Betet sie doch nicht die Stärke an, sondern die Hingabe. Glaubt sie doch nicht an die Sieger, die die Welt präsentiert, sondern an ihn, Herr aller Herren und König aller Könige. Und glaubt sie doch daran, dass die, die die Welt wie Lahme und Kranke ansieht, die den Anschluss an die modernen Zeiten verpasst haben, die sind, die in Wahrheit die Berufenen und Auserwählten und Gläubigen sind, die ihre Zukunft haben durch ihre Zugehörigkeit zu dem Lamm.
Zum Weiterdenken
Haben wir es hier auch mit einer Deutung in der Abfolge der Weltreiche zu tun – von Ägypten über Assyrien, Persien und Alexanders Mazedonier-Reich hin zu Rom? Aber was sagen uns heute solche Abfolgen noch? Dem spanischen Weltreich ist Großbritannien gefolgt, dann Napoleon, dann der größenwahnsinnige Versuch des 3. Reiches und als sein Gegenpol Stalins Weltreich mit dem Ostblock. Alles zusammengebrochen. Übrig geblieben sind die USA. Neu dazugekommen ist China. Und Putin will sein Russland mit Gewalt wieder so positionieren
Hilft uns die Offenbarung, unsere unübersichtliche, globalisierte Welt zu sehen und zu deuten? Jedenfalls mir nicht in einem kurzatmigen Blick, der sich in den Tagesaktualitäten verliert. Das Wesen der Macht, die sich selbst korrumpiert, die an sich selbst wie betrunken ist – das allerdings sehe ich hier gezeichnet. Die Akteure wechseln, aber die Versuchung der Macht bleibt.
Heiliger Gott, mich erschreckt die Machtgier unserer Zeit, die ich an so vielen Stellen beobachte – in der Gesellschaft, zwischen Staaten. Mich erschreckt, wie Worte verschleiern, dass brutale Gewalt geübt wird, um die eigenen Interessensphären zu schützen und auszuweiten. Mich treibt um, ob ich nur hilflos in der Zuschauer-Rolle bin, ohne zu verstehen, was im Gang ist.
Ich suche nach Halt – im Vertrauen auf Dich, mein Heiland, Jesus. Im Vertrauen darauf, dass Dein Reich anders ist und nicht Gewalt übt. Dein Reich ist Zufluchtsort, ist Gnadenort, ist Raum der Vergebung, in der aller Schaden heil werden kann, weil du der Heiland bist. Dafür danke ich Dir. Amen