Wohngemeinschaft mit Gott

Offenbarung 21, 1 – 8

1 Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen, und das Meer ist nicht mehr.

        Was Johannes sieht, sprengt alle Vorstellungskraft. Hat er zuvor noch gesehen, wie Erde und Himmel keine Stätte mehr haben, ort-los, utopisch werden, so sieht er jetzt einen neuen Himmel und eine neue Erde.Das Wort für „neu“ ist im Griechischen selten. Es ist nicht das Allerweltswort, das man für ein paar neue Schuhe verwendet. Es ist vielmehr mit dem schöpferischen Handeln Gottes verbunden.  Er allein ist der, der wirklich Neues macht. So auch hier. Johannes sieht Neuschöpfung, eine neue Schöpfung, die neue Welt Gottes. Zu fassen ist das nicht.

          Diese neue Welt Gottes hat als ein Kennzeichen, dass das Meer nicht mehr ist. Das Meer, dem Gott seine Grenze gesetzt hat, weil es, Teil seiner Schöpfung, doch seine Schöpfung gefährdet. Das Meer, das seit altersher ein Ort des Todes ist. Gerade zuvor hatte es noch geheißen: „Und das Meer gab die Toten heraus, die darin waren.“ (20,13) In dieser neuen Schöpfung ist kein Ort mehr für diesen Todesort. Das ist nicht Biologie oder Geologie, die hier verhandelt wird, sondern theologische, geistliche Deutung.                                                       

2 Und ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott aus dem Himmel herabkommen, bereitet wie eine geschmückte Braut für ihren Mann.

            Wieder ein Liebesbild. Die geliebte Stadt, das neue Jerusalem – die Braut. Eine Braut ist nichts ohne den Bräutigam. Aber auch umgekehrt: Was wäre der Bräutigam ohne die Braut? So redet dieses Bild nicht nur von der Vollendung der Gemeinde im Himmel, sondern es redet auch davon, dass der Bräutigam an sein Ziel kommt. Ein menschenloser, einsamer Gott und Heiland im Himmel, in der Neuschöpfung – undenkbar. Die Liebe kommt in diesem Bild an ihr Ziel – bei beiden, der Braut und dem Bräutigam. 

            In diesem Bild von der herabkommenden Stadt steckt zugleich auch ein kritisches Element: Es geht nicht mehr um das irdische Jerusalem. Es ist an die Geschichte preisgegeben, so wie es ja auch in der Zerstörung im Krieg der Jahre 70/71 n. Chr.  wirklich geschehen ist. Dieses irdische Jerusalem ist für die Offenbarung nur noch der Kreuzigungsort, nicht mehr der Heilsort. Nicht mehr die Heilige Stadt. Die kommt aus dem Himmel. Es ist zumindest wert zu überlegen, ob und was das für das Verhältnis heutiger christlicher Kirche zum Ort Jerusalem bedeuten könnte.  

3 Und ich hörte eine große Stimme von dem Thron her, die sprach: Siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen! Und er wird bei ihnen wohnen, und sie werden seine Völker sein, und er selbst, Gott mit ihnen, wird ihr Gott sein; 4 und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen.

            Worte, die ich liebe. Die trösten. In die ich wieder und wieder hinein gekrochen bin. Was für eine Hoffnung! Die Zeit der Tränen unwiderruflich vorbei. Was bleibt, ist Lachen, Glück, Seligkeit. Kein Tod mehr, kein Leid mehr, kein Schmerz mehr. Die Wunden der Wege durch die Zeit – ein für alle Mal geheilt.  

            Es ist die Hoffnung Israels, zuerst ausgesprochen durch den Propheten Jesaja: „Und Gott der HERR wird die Tränen von allen Angesichtern abwischen und wird aufheben die Schmach seines Volks in allen Landen; denn der HERR hat’s gesagt.“ (Jesaja 25,8) Seitdem ist diese Hoffnung in der Welt und sie verbindet über Grenzen hinweg – Juden und Christinnen und Christen und wohl auch alle anderen, die in dieser Tränenzeit weinen. Es ist die Hoffnung, dass keine Träne, geweint in Folterkeltern und auf der Flucht, im Dunkel der Nacht, in der Einsamkeit der Ängste und Sorgen, auf dem letzten Weg des Sterbens von Gott unbemerkt und unbeantwortet geweint worden ist. Er beantwortet alle Tränen dadurch, dass er sie abwischt. Sorgfältig, achtsam Ganz väterlich-mütterlich dem/der zugewandt, die diese Tränen noch im Gesicht hat.    

            Und mitten unter seinen Menschen – Gott. Leicht zugänglich. In einem Zelt. So das griechische Wort. Bei Luther ist es zur Hütte geworden, auch das immer noch kein Abstand gebietender Palast. Stattdessen: Gott ist bei seinen Völkern! Das ist in älteren Bibeln noch anders – da heißt es fast immer „Gott bei seinem Volk“. Exklusiv – und daraus abgeleitet die christliche Alleinvertretung.

            Man wird es so deutlich sagen müssen: Ist das auch ein Signal in unsere Zeit hinein, in der ein Denken in den Kategorien Volk, Nation, Rasse offenkundig neuen Rückenwind erhält, für Wahlkämpfe gebraucht und missbraucht werden kann? Haben wir zu lernen: Es ist nichts mit nur einer allein seligmachenden Kirche. Zumindest als Christinnen und Christen  müssen wir hier doch hellwach sein oder werden. 

5 Und der auf dem Thron saß, sprach: Siehe, ich mache alles neu!

            Gott selbst nimmt das Wort – und sagt, was er tut. Siehe, ich mache alles neu! Und indem er es sagt, macht er es. Es ist das wirkende Schöpferwort aus dem Anfang der Heiligen Schrift: „Und Gott sprach… und es geschah so.“ (1. Mose 1,9 ff), das wir auch hier hören. Die neue Schöpfung ist wie die erste Schöpfung am Anfang, Schöpfung aus seinem Wort.

Und er spricht: Schreibe, denn diese Worte sind wahrhaftig und gewiss! 6 Und er sprach zu mir: Es ist geschehen. Ich bin das A und das O, der Anfang und das Ende.

            Wieder der Schreib-Befehl. Wie eindringlich wird darauf hingewiesen durch die vielen Szenen der Offenbarung hin. Nicht, um die Neugier zu befriedigen. Sondern um das Leben auf ein festes Fundament zu stellen. Diese Worte sind wahrhaftig und gewiss! Gott selbst steht für sie ein. und indem er sagt, ist es. Es ist geschehen Wie in 16,17. Aber diesmal aus dem Mund Gottes. Unwiderruflich. Ist er es doch, der Anfang und Ende, Α und Ω, Alpha und Omega ist, die Welt umspannt. Der Anker der Geschichte.

Ich will dem Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst. 7 Wer überwindet, der wird es alles ererben, und ich werde sein Gott sein und er wird mein Sohn sein.

               Jetzt wendet sich Gott, sein Wort, dem Menschen zu. Jede und jeder darf sich angesprochen hören. Über der großen Vollendung der Welt wird der Einzelne, die Einzelne nicht vergessen. Ich will dem Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst. Umsonst – die Vulgata übersetzt und legt aus:gratis. Nicht vergeblich – geschenkt. Aus Gnade.

            Der Ruf zur Quelle des Lebens wird hier neu aufgenommen. „Wohlan, alle, die ihr durstig seid, kommt her zum Wasser! Und die ihr kein Geld habt, kommt her, kauft und esst! Kommt her und kauft ohne Geld und umsonst Wein und Milch!“ (Jesaja 55,1) Und Jesu Wort: „Wer aber von dem Wasser trinken wird, das ich ihm gebe, den wird in Ewigkeit nicht dürsten, sondern das Wasser, das ich ihm geben werde, das wird in ihm eine Quelle des Wassers werden, das in das ewige Leben quillt.“ (Johannes 4,14) Es ist kein Defizit, kein Makel, Durst zu haben – der Durst ist die Sehnsucht, die gestillt werden soll. Hier wird sie gestillt. 

            Unendlich kühn und groß schließt es sich an als Wort Gottes an die Durstigen, an die, die treu geblieben sind: Ich werde sein Gott sein und er wird mein Sohn sein. Das ist vor undenklich früheren Zeiten das Wort Gottes an David gewesen – über seinen Sohn Salomo: „Er soll mein Sohn sein und ich will sein Vater sein.“ (1. Chronik 22,10) Hier ist es das Wort an alle, die zu Jesus gehören. Darin erfüllt sich ihr Leben, dass sie Sohn Gottes, dass sie Tochter Gottes werden. Und es auch sind. Hier wird das Wesen offenbar, in das uns der Glaube hinein verwandelt „Seht, welch eine Liebe hat uns der Vater erwiesen, dass wir Gottes Kinder heißen sollen – und wir sind es auch!“ (1. Johannes 3,1) Die Liebe Gottes ist an ihrem Ziel.

 8 Die Feigen aber und Ungläubigen und Frevler und Mörder und Unzüchtigen und Zauberer und Götzendiener und alle Lügner, deren Teil wird in dem Pfuhl sein, der mit Feuer und Schwefel brennt; das ist der zweite Tod.

            Es ist wie eine dunkle Folie, vor der alles, was vorher gesagt, gesehen worden ist, umso heller strahlt. Die, an die sich dieser Brief – das ganze Buch ist ja ein Brief -, richtet, haben es vor Augen: Menschen, die sich abgewendet haben, die ihr Leben retten wollten, die sich gemein gemacht haben mit der erzwungenen Anbetung. Und sie haben die vor Augen, die so genötigt haben. Für ihr Verhalten ist kein Raum mehr in der Neuschöpfung Gottes. 

Zum Weiterdenken

            Man kann nur hoffen, dass auch hier gilt, was zum Grundtext der biblischen Botschaft gehört: „Gott hasst die Sünde, aber er liebt die Sünder.“ Dass seine herbe Liebe, seine „harte Gnade“ (C.S. Lewis) auch mit den Feigen und Ungläubigen und Frevlern und Mördern und Unzüchtigen und Zauberer und Götzendiener und allen Lügnern an sein Ziel kommen wird, darauf hoffe ich. 

            Darum mag ich ein Wort sehr, dass es bis in Gesangbuch geschafft hat:

            Mancher, der sich vor dem Gerichte Gottes zu sehr gefürchtet hat,

            wird sich in der Ewigkeit ein klein wenig schämen müssen,

            dass er dem Herrn nicht noch mehr Gnade zugetraut hat.                                                                                                 Johann Albrecht Bengel (nach EG – Bayern)

Mein Gott, ich leihe mir Worte, weil sie Dir die Ehre geben, weil sie erfüllt sind vom dem Staunen über das Ziel am Ende der Zeit: „Dann wird unsagbare Freude sein, wird helles Lachen herrschen, wird an reichen Tischen gegessen, werden Menschen lallen vor Glück, werden wir sein wie die Träumenden.“ Heute schon ist das meine Hoffnung, wenn ich nicht zurecht komme mit mir selbst. Es geht dem entgegen, dass wir bei Dir sind und alles von uns abfällt, was das Leben belastet hat. Darauf hoffe ich. Amen

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