Bis hierhin hat mich Gott gebracht

1. Mose 24, 29 – 49

29 Und Rebekka hatte einen Bruder, der hieß Laban; und Laban lief zu dem Mann draußen bei dem Brunnen. 30 Denn als er den Ring und die Armreifen an den Händen seiner Schwester gesehen hatte und die Worte Rebekkas, seiner Schwester, gehört hatte: So hat mir der Mann gesagt –, da kam er zu dem Mann, und siehe, er stand bei den Kamelen am Brunnen. 31 Und er sprach: Komm herein, du Gesegneter des HERRN! Warum stehst du draußen? Ich habe das Haus bereitet und für die Kamele auch Raum gemacht. 32 Da kam der Mann ins Haus. Und man zäumte die Kamele ab und gab ihnen Stroh und Futter, dazu auch Wasser, zu waschen seine Füße und die Füße der Männer, die mit ihm waren. 33 Und man setzte ihm Essen vor. Er sprach aber: Ich will nicht essen, bis ich zuvor meine Sache vorgebracht habe. Laban antwortete: Sage an! 34 Er sprach: Ich bin Abrahams Knecht. 35 Und der HERR hat meinen Herrn reich gesegnet, dass er groß geworden ist, und hat ihm Schafe und Rinder, Silber und Gold, Knechte und Mägde, Kamele und Esel gegeben. 36 Dazu hat Sara, die Frau meines Herrn, in ihrem Alter meinem Herrn einen Sohn geboren; dem hat er alles gegeben, was er hat. 37 Und mein Herr hat einen Eid von mir genommen und gesagt: Du sollst meinem Sohn keine Frau nehmen von den Töchtern der Kanaaniter, in deren Land ich wohne, 38 sondern zieh hin zu meines Vaters Hause und zu meinem Geschlecht; dort nimm meinem Sohn eine Frau. 39 Ich sprach aber zu meinem Herrn: Wie, wenn mir das Mädchen nicht folgen will? 40 Da sprach er zu mir: Der HERR, vor dem ich wandle, wird seinen Engel mit dir senden und Gnade zu deiner Reise geben, dass du meinem Sohn eine Frau nimmst von meiner Verwandtschaft und meines Vaters Hause. 41 Dann sollst du deines Eides ledig sein: Wenn du zu meiner Verwandtschaft kommst und sie geben sie dir nicht, so bist du deines Eides ledig. 42 So kam ich heute zum Brunnen und sprach: HERR, du Gott meines Herrn Abraham, hast du Gnade zu meiner Reise gegeben, auf der ich bin, 43 siehe, so stehe ich hier bei dem Wasserbrunnen. Wenn nun ein Mädchen herauskommt, um zu schöpfen, und ich zu ihr spreche: Gib mir ein wenig Wasser zu trinken aus deinem Krug, 44 und sie sagen wird: Trinke du, ich will deinen Kamelen auch schöpfen –, das sei die Frau, die der HERR dem Sohn meines Herrn beschert hat. 45 Ehe ich nun diese Worte ausgeredet hatte in meinem Herzen, siehe, da kommt Rebekka heraus mit einem Krug auf ihrer Schulter und geht hinab zur Quelle und schöpft. Da sprach ich zu ihr: Gib mir zu trinken. 46 Und sie nahm eilends den Krug von ihrer Schulter und sprach: Trinke, und deine Kamele will ich auch tränken. Da trank ich, und sie tränkte die Kamele auch. 47 Und ich fragte sie und sprach: Wessen Tochter bist du? Sie antwortete: Ich bin die Tochter Betuëls, des Sohnes Nahors, den ihm Milka geboren hat. Da legte ich einen Ring an ihre Nase und Armreifen an ihre Hände 48 und neigte mich und betete den HERRN an und lobte den HERRN, den Gott meines Herrn Abraham, der mich den rechten Weg geführt hat, dass ich für seinen Sohn die Tochter des Bruders meines Herrn nehme. 49 Seid ihr nun die, die an meinem Herrn Freundschaft und Treue beweisen wollen, so sagt mir’s; wenn nicht, so sagt mir’s auch, dass ich mich wende zur Rechten oder zur Linken.

Man muss es nicht erst gesagt bekommen: Das reiche Geschenk des Mannes am Brunnen hat Signalwirkung, es löst geschäftige Hektik im Haus aus. Laban, Rebekkas Bruder, nimmt die Sache in die Hand. Seine Einladung lässt ahnen, dass Laban in diesem Mann mehr sieht als irgendeinen Durchreisenden: du Gesegneter des HERRN! Er erweist sich als guter Gastgeber. Er tischt auf, was das Herz eines erschöpften Reisenden sich nur wünschen könnte. Sein Gast aber will erst dann diese Gastlichkeit genießen, wenn er sein Anliegen vorgebracht hat, seinen Auftrag weitergeführt. Dabei stellt er sich vor und bereitet so den Boden für die nachfolgende Berichterstattung. Hinter ihm steht als Auftraggeber der reih gewordene Abraham. Er ist Brautwerber in dessen Auftrag.     

Es ist umständlich, aber zugleich auch für den Fortgang wichtig: Ausgesprochen breit wird erzählt, wie Elieser nun seine Anliegen vorbringt, wie er seinen Zuhörern damit zugleich zeigt: dass ich jetzt hier bin, hat seinen tiefsten Grund im Führen Gottes. Kein Zufall – der Engel Gottes hat geführt. Fast noch, wie ein Zusatzargument: Weil Gott sich auf seine Überlegungen eingelassen hat, weil Rebekka ihre Rolle genau so gespielt hat, wie es im Gedankenspiel Eliesers vorgesehen war, darum ist er sich sicher: Ich bin am richtigen Ort.

Ob es Absicht ist: Das Erzählen Elieser von seinem Dank an Gott für dessen Wegführung, von seinem Dank, dass er ihm die zukünftige Frau für den Sohn seines Herren regelrecht präsentiert hat, setzt auch seine Zuhörer unter Druck. Sie werden zu entscheiden haben, wie sie diese Erzählung bewerten, ob sie in ihr den Weg Gottes sehen oder nur eine seltsame Geschichte.

Salopp gesagt: Nach dem Bericht Elieser liegt der Ball nun im Spielfeld Labans und seines Vaters Betuël. Es ist an ihnen, Abraham Freundschaft und Treue zu beweisen. Was ein Nein zur Erzählung Eliesers bedeuten würde, muss nicht gesagt werden. Der Knecht Abrahams wird mit dieser Entscheidung leben müssen.    

Umgehen lernen mit der Gefahr, die darin liegt, von den eigenen Erfahrungen und Einsichten zu erzählen. Wenn man sie zu dick aufträgt, sie zur Schablone des Handelns Gottes hochstilisiert, dann setzt man mit ihnen unter Druck. Druck aber lässt keine freien Entscheidungen mehr zu und widerspricht dem Wesen des Glaubens, auch der Art Gottes. Gott macht keinen Druck! Es ist gut zu singen: „Bis hierher hat mich Gottgebracht in seiner großen Güte.“ Aber man darf in solchen Singen nicht überspringen, dass es nur die eigene Erfahrung ist und nicht die aller anderen.

Es ist ein schmaler Grat, mein Gott, von den eigenen Erfahrungen und Einsichten in den Weg Gottes zu erzählen, ohne mit diesem Erzählen Druck aufzubauen. Es ist so leicht möglich, dass es ankommt als eine Forderung: Du musst doch jetzt darin wie ich die Wege Gottes sehen. Gib Du, das wir lernen, unsere Erfahrungen so mit anderen zu teilen, dass sie ermutigen, aber nicht nötigen, dass sie staunen lassen über Gottes Güte, aber nicht die Angst erzeugen, mit einer falschen Reaktion Deine Güte zu missachten. Amen  

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