Aneinander gebunden

Offenbarung 17, 15 – 18

15 Und er sprach zu mir: Die Wasser, die du gesehen hast, an denen die Hure sitzt, sind Völker und Scharen und Nationen und Sprachen.

            Das Bild wird jetzt noch einmal von einer anderen Seite her gedeutet. Auch hier geht es nicht um Abfolge, sondern um Wesensverbundenheit. Verbunden durch das Wasser, an dem die Hure sitzt. Ein Lesen der Offenbarung, das nur Zeitabläufe sucht, geht in die Irre.

            Hier geht es nicht einfach nur um das Völkermeer, das es gibt. Wasser steht hier wohl für Wasser-Wege, für die Verbindung zwischen Völkern und Scharen und Nationen und Sprachen. Damit wird zugleich deutlich: Es reicht nicht aus, die Hure zu identifizieren, als Rom oder eine andere Kapitale der Weltgeschichte, und der Fall ist gelöst. Ihre Ausstrahlungskraft ist eine andere – sie verbindet Völker und Scharen und Nationen und Sprachen. Die Geisteshaltung, um die es hier geht, ist international, global. Ein Verhalten, das sich schamlos den Trieben überlässt – dem Machttrieb, der Gewalt, dem Zwang zum Siegen, der Gier nach dem Geld, der Sucht nach dem Leben und der Lust um jeden Preis, fernab vom Gebot Gottes.

Auch der Sucht, nur die eigene Nation zu sehen – unter dem Motto: Wenn alle an sich denken, ist an alle gedacht. Der neu erwachende Nationalismus ist nichts anderes als das Aufbrechen egoistischer Grundstrukturen, nur diesmal auf die Völker, genauer: die Nationen bezogen. Ob Hauptsache Ungarn, Hauptsache Deutschland, America first, Britain alone – es ist immer und überall das gleiche Strickmuster. 

 16 Und die zehn Hörner, die du gesehen hast, und das Tier, die werden die Hure hassen und werden sie ausplündern und entblößen und werden ihr Fleisch essen und werden sie mit Feuer verbrennen.

            Es folgt, ohne dass es da steht, ein „Aber“. Das, was sich so als zügelloses Leben entwirft und die ganze Welt unterwerfen will, bereitet sich sein eigenes Verderben. Am Ende zerbricht diese Einheit und wendet sich gegen die, die in ihr das Leben gesucht haben. Das Tier wird zum Feind, der die Hure hasst und schändet und diese Feindschaft führt zur Vernichtung der Hure. Die Welt erstickt an sich selbst, an dem, was sie in ihrem Fortschrittswahn hervor bringt. Die hier über die Hure herfallen und sie zerstören, folgen einem „Gesetz“ – alle Macht und Gewalt trägt in sich schon den Keim ihres Untergangs. Auch der Nationalismus, der derzeit überall neu aufblüht, trägt sein Todesdatum schon in sich – spätestens dann ist es erreicht, wenn er die Völker wieder gegeneinander führen wird. 1914 lässt grüßen.

 17 Denn Gott hat’s ihnen in ihr Herz gegeben, nach seinem Sinn zu handeln und eines Sinnes zu werden und ihr Reich dem Tier zu geben, bis vollendet werden die Worte Gottes. 18 Und die Frau, die du gesehen hast, ist die große Stadt, die die Herrschaft hat über die Könige auf Erden.

            Das ist ein Blick, der wie aus einer anderen Welt kommt und doch anknüpft an Glaubensüberzeugungen, wie sie sich auch bei Jesaja und Daniel schon finden. Die Mächtigen der Erde müssen tun, was Gott im Himmel will. Sie sind, so souverän und selbstherrlich sie sich auch gebärden mögen, doch Werkzeuge seines Planes. Gott hat’s ihnen in ihr Herz gegeben, nach seinem Sinn zu handeln. In der Zerstörung der Macht der Hure treiben sie sein Werk. Sie mögen Gott feindlich gesinnt sein, zum letzten Kampf ausholen, sich formieren zu unfassbarer Größe – sie sind doch nur seine Werkzeuge. 

Die Sicht knüpft an das Erbe Israels an. Der Einfall der Philister in Israel rettet David vor der Gefangenschaft und dem Tod. Jesaja sieht den Perserkönig Kyros als einen Knecht Gottes: In der Geburtsgeschichte des Lukas muss die Volkszählung des Augustus (Lukas 2,1) dazu dienen, dass die Geburt Jesu in Bethlehem stattfindet und so die uralte Prophetie eines Micha (Micha 5,1) erfüllt wird. Es ist hebräisches Erbe der Christenheit, dass Gott in, mit und unter den Entscheiden der Welt doch die Macht in Händen hat. Der Glaube kann wohl nicht anders und tröstet sich auch nicht anders, als dass er sieht und daran festhält: die Mächtigen der Welt müssen am Ende doch dem Willen Gottes zu Dienst sein.  

Mein Gott, wie oft habe ich das mit anderen gesungen: Er hat die ganze Welt in seiner Hand. Darauf traue ist, dass Du, unser Gott und Herr, die Welt in Händen hast. Sie festhältst. Dass Du den Weg der Welt zu Deinem guten Ende führen wirst. Dein Werk kann niemand hindern – auch nicht die selbstherrlichen Mächtigen n den Hauptstädten und Kommandozentralen der Welt. Darauf hoffe ich, das ihre Entscheidungen Deinem Willen den Weg bereiten. Du nimmst auch ihre Machtgier gefangen unter Deinen Plan. Das tröstet mich in den Wirren unserer Zeit. Am Ende wirst Du allein ganz recht behalten. Amen 

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