Römer 8, 26 – 30
26 Desgleichen hilft auch der Geist unsrer Schwachheit auf. Denn wir wissen nicht, was wir beten sollen, wie sich’s gebührt, sondern der Geist selbst tritt für uns ein mit unaussprechlichem Seufzen. 27 Der aber die Herzen erforscht, der weiß, worauf der Sinn des Geistes gerichtet ist; denn er tritt für die Heiligen ein, wie Gott es will. 28 Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen, denen, die nach seinem Ratschluss berufen sind. 29 Denn die er ausersehen hat, die hat er auch vorherbestimmt, dass sie gleich sein sollten dem Bild seines Sohnes, damit dieser der Erstgeborene sei unter vielen Brüdern. 30 Die er aber vorherbestimmt hat, die hat er auch berufen; die er aber berufen hat, die hat er auch gerecht gemacht; die er aber gerecht gemacht hat, die hat er auch verherrlicht.
Trostwort an alle, die es schwer haben mit dem Harren. Denen manchmal die Kraft zu warten ausgeht. Die nicht mehr wissen, ob sie ihren Glauben durchhalten, ob sie sich selbst ihren Glauben noch glauben können. So wie der Geist Hoffnung entzündet, so hält er sie im Brennen. Großartig: Der Geist passt sein Wirken denen an, in denen er wirkt. Was hier gesagt ist, ist eine Entlastung: Wir müssen als Christinnen und Christen nicht immerzu stark im Glauben sein, kraftstrotzend. Wir können es uns – Gott gegenüber – erlauben, uns schwach zu zeigen, unsere Schwäche einzugestehen. Ob das bei den Brüdern und Schwestern immer gut ankommt, mag auf einem anderen Blatt stehen. Vor Gott müssen wir nicht die Starken mimen, wenn es uns schlecht geht.
Der Geist selbst vertritt uns – über alle Worte hinaus. Das Wort für unaussprechlich könnte auch übersetzt werden mit unausgesprochen. Dann würde der Geist sich unseren stummen Schrei zu eigen machen. Auch unser Schweigen, weil uns die Worte ausgegangen sind. Seufzer, die nicht in Worte zu fassen sind. Weil wir spüren, dass alle Worte nicht hinreichen zu sagen, was wir ersehnen. In den Abraham-Erzählungen stoßen wir wiederholt auf einen schweigenden Abraham. Dem die Worte ausgegangen sind. Weil er Gottes Weg nicht mehr versteht. So geht es uns auch, trotz aller Frömmigkeit. Oder wegen ihr?
Das vertretende Wirken des Geistes ist eine Vorstellung, die mir sehr hilft. Weil sie mir frei sein hilft von der Vorstellung, irgendein Gebets-Programm oder irgendein Gebets-Formular ausfüllen zu müssen. Keine Liste ist abzuarbeiten, keine heiligen Worte sind nötig, auch kein Herzens-Gebet. Ich habe Anteil am Atem Gottes, am Hauch seines Geistes und er weiß schon, was mein Seufzen ist.
Es ist eine Gewissheit, die unser Zeit weithin abhandengekommen ist, die sich aus der Liebe zu Gott nährt, die im Vertrauen auf ihn ihren Grund hat. „Gott kann es nicht böse mit uns meinen.“ Sagt diese Gewissheit. „Gottes Wege sind immer gut.“ Singt sie. Es ist eine Gewissheit, die den Mund voll nimmt, vielleicht sogar zu voll, weil sie vertraut. Es ist nicht das Anliegen des Paulus, einen allgemeingültigen, theoretischen, philosophischen Satz von sich zu geben. Wo man das aus diesem Satz macht, wird er falsch und unter Umständen bösartig. Weil es für Paulus ein Satz seines Vertrauens ist, macht er auch nicht die Tür zu einer wilden, aufgeregten Debatte auf. Daran wird er sich, damals nicht, heute nicht, beteiligen.
Die Gewissheit oder Hoffnung, die sich hier zu Wort meldet, hebt die Möglichkeiten nicht auf, die jeder Christ und jede Christin kennt: Anfechtungen, Zweifel. Verzagen, das einem die Kehle zuschnürt. Das Erlahmen der Kraft zum Warten und hoffen. Das alles kann lang werden und wird manchmal so schwer, dass es scheint, es kommt kein neuer Tag mehr. Die Gewissheit des Heils beruht nicht darauf, dass das alles nicht mehr ist – sie beruht allein darauf, dass Gott mit seiner Berufung an mich an sein Ziel kommen wird. Heilsgewissheit ist keine psychologische Kategorie – sie ist Gabe Gottes.
In diese Heilsgewissheit eingebettet sind auch die Phasen, in denen wir nicht wissen, was wir beten sollen, wie wir beten sollen. Ein Ausflug in die eigene Frömmigkeits-Geschichte: Aus meiner Sicht von heute sind die Gebetslisten früherer Tage auch ein ausweichen vor dem Nicht-Wissen, was jetzt als Gebet „dran“ ist. Ausweichen in Wörter vor der Sprachlosigkeit, die nur noch plappert. Heute geht es mir oft so, dass mein Beten nur noch ein stummes Hinhalten des ganzen Lebenswirrwarrs ist, den ich um mich sehe und an dem ich meinen Anteil habe. Ich halte meine Ratlosigkeiten Gott hin – ohne Lösungsvorschläge. Es ist nicht mehr mein Ding, Lösungen zu finden Ich habe zu lernen, dass die Lösungen Gottes eine andere Tragweite haben als alles, was mir vorschwebt.
Ich weiß schon, dass der Glaube manchmal über die Faktizität des Gegenwärtigen hinausschauen muss, dass er unter den Verheißungen Gottes auch groß denken darf. Ich sage es auch manchmal: Der Glaube darf den Mund auch einmal voll nehmen. Und doch wollen mir diese Worte fast den Atem nehmen. Es ist gut, dass ich sie mir gesagt sein lassen darf. Sie kommen mir entgegen und ich spreche sie nach – wie kümmerlich es auch im Augenblick um meinen eigenen Glauben bestellt sein mag.
Manchmal gehen mir die Worte aus. Manchmal mache ich nur noch die Augen zu, weil ich mich überfordert fühle von dem, was ich an Geschehen weltweit und um mich herum sehe. Hilf du mir zu Worten, zum Beten, wenn mir die Worte ausgegangen sind und mein Beten zu verstummen droht. Gib Du mir, dass ich mich auch in allen Ratlosigkeiten und allen Verwirrungen an dich halte. Gib mir, dass ich über alle Worte hinaus in Dir Halt suche und finde. Du verstehst und hörst ja auch den stumme Schrei. Amen