Philipper 4, 10 – 23
10 Ich bin aber hocherfreut in dem Herrn, dass ihr wieder eifrig geworden seid, für mich zu sorgen; ihr wart zwar immer darauf bedacht, aber die Zeit hat’s nicht zugelassen.
Paulus ist nicht der Mann spiritueller Höhenflüge. Ganz handfest geht es zu. Die Gemeinde hat für Paulus gesorgt – durch Zuwendungen, Unterstützung. Unaufgefordert. Als sich die Gelegenheit geboten hat, sind sie aktiv geworden. Dies zu erfahren, hat Paulus gut getan. Ihn mit großer Freude erfüllt. Dieser „ausführliche und sehr persönliche Dank für die Geldzuwendung der Philipper, der erst am Schluss des Briefes seinen Ort hat, ist ein besonderes Beispiel für die liebevolle Verbundenheit zwischen Apostel und Gemeinde.“ (U. Wilkens, aaO. S. 252)
11 Ich sage das nicht, weil ich Mangel leide; denn ich habe gelernt, mir genügen zu lassen, wie’s mir auch geht. 12 Ich kann niedrig sein und kann hoch sein; mir ist alles und jedes vertraut: beides, satt sein und hungern, beides, Überfluss haben und Mangel leiden; 13 ich vermag alles durch den, der mich mächtig macht.
Kein Zweifel. Paulus ist dankbar. Man tut gut daran, diese Sätze nicht als gängige höfliche Floskel zu lesen: „Das wäre doch nicht nötig gewesen.“ Auch nicht als Zurückweisung einer nicht willkommenen Fürsorge. Es tut gut, wenn andere liebevoll an uns denken, wenn sie tatkräftig und mit guten Worten unterstützen, Es tut gut, selbst wenn man geneigt ist abzuwehren. Diese Zuwendung ist wie ein Versprechen für andere Zeiten – es wird Hilfe auch dann geben, wen die eigenen Möglichkeiten erschöpft und ausgereizt sind.
Andernorts ist Paulus sorgfältig darauf bedacht, Eigenständigkeit und Unabhängigkeit zu wahren. „Als ich bei euch war und Mangel hatte, fiel ich niemandem zur Last. Denn meinem Mangel halfen die Brüder ab, die aus Mazedonien kamen. So bin ich euch in keiner Weise zur Last gefallen und will es auch weiterhin so halten.“(2. Korinther 11, 9) Nicht so hier. „Er nimmt die Unterstützung der Philipper an, selbst wenn er offenbar auch ohne sie in der Lage wäre zu überleben.“(Chr. Schluep-Meier, Der Philipperbrief/Der Philemonbrief, Neukirchen 2014, S. 150) Die Gaben freuen ihn. Sie tun ihm gut, sind sie doch Zeichen einer tiefen Verbundenheit.
Und doch: Er hat eine andere Lektion gelernt, die ihn unabhängig hat werden lassen von seiner äußeren Situation. Ich habe gelernt, mir genügen zu lassen. „Mit allem zufrieden zu sein, auch wenn er Hunger und Durst erleiden muss, nichts anzuziehen hat und kein Quartier findet.“(G.. Friedrich, aaO. S. 173) Das ist auf den ersten Blick eine Bedürfnislosigkeit, wie sie auch in der zeitgenössischen Philosophie gelobt, empfohlen und auch praktiziert werden könnte. Allerdings nur auf den ersten Blick.
Die Bedürfnislosigkeit des Paulus unterscheidet sich in ihrer Wurzel davon. Seine Bedürfnislosigkeit kommt daher: Ich vermag alles durch den, der mich mächtig macht. Sie ist erwachsen aus der Bindung an Christus, aus der Erfahrung: Er sorgt für mich. „Wenn ich nur dich habe, so frage ich nichts nach Himmel und Erde.“ (Psalm 73,25) Das war wohl einmal Lernstoff für den Pharisäer Paulus. Das ist Erfahrungs-Stoff für den Christus-Zeugen Paulus. „Er hat gelernt, Christus nachzuahmen. Wer das tut, beschreitet die Kurven des Weges Christi.“ (P. Wick/K. Offermann, Mit Paulus glauben, Texte zur Bibel 34, Neukirchen 2018, S. 114) Aus seiner Stärke schöpft Paulus. Keine Autarkie, keine Selbstgenügsamkeit, sondern Christus schenkt sich selbst und schenkt darin genug.