Lukas 11, 1 – 4
1 Und es begab sich, dass er an einem Ort war und betete. Als er aufgehört hatte, sprach einer seiner Jünger zu ihm: Herr, lehre uns beten, wie auch Johannes seine Jünger lehrte.
Jesus betet immer wieder, an allen möglichen Orten, in der Einsamkeit, auf dem Berg, vor einer Herausforderung. Sein Beten ist etwas, was seine Jünger wahrnehmen, wohl auch als ungewöhnlich wahrnehmen. Und zugleich spüren sie, dass dieses Beten die Quelle der Kraft Jesu ist. Aus dem Reden mit dem Vater schöpft er. Aus diesem Reden nährt sich seine Seele. In diesem Reden empfängt er die Freiheit für sein Tun.
Der betende Jesus ist keineswegs irgendwie exotisch. Um die Jünger herum wird gebetet – die Pharisäer und Schriftgelehrten beten, Menschen beten im Tempel und der Synagoge. In der hebräischen Bibel gibt es den Psalter – das Gebetbuch Jesu und aller Juden in seiner Zeit. Vielleicht kann man sagen: Jude sein heißt beten – sich dem Schöpfer des Himmels und der Erde, dem Gott der Väter zuwenden, ihn mit ganzem Ernst suchen. Vielleicht gibt es gerade deshalb keine Anweisungen, weil es eine selbstverständliche Praxis gab, über die man nicht reden musste, die in einer ungebrochenen Traditionskette gelehrt wurde. Ohne große theologische Reflexion.
Und doch muss etwas am Beten Jesu so sein, dass einen der Jünger sagen lässt: Herr, lehre uns beten. Er lehnt sich mit dieser Bitte an die Praxis des Johannes an. Der hatte seine Jünger offenkundig beten gelehrt. Das heißt wohl nicht: Er hat sie ein paar Gebete gelehrt. Sondern er hat sie in eine bestimme Gebetspraxis eingeführt, sie vielleicht sogar Methoden gelehrt, wie man zur Ruhe findet, wie man stille wird, wie man sich auf Gott hin ausrichtet – wenn man das überhaupt kann: Sich ausrichten auf Gott. So höre ich dann auch die Bitte der Jünger: Sie fragen, so denke ich, nach einer „Methode“ des Gebetes, nach einer Haltung des Betens, nach einer Übung vielleicht auch. „Vater. Mutter“ weiterlesen