- Mose 7, 17 – 24
17 Und die Sintflut war vierzig Tage auf Erden, und die Wasser wuchsen und hoben die Arche auf und trugen sie empor über die Erde. 18 Und die Wasser nahmen überhand und wuchsen sehr auf Erden, und die Arche fuhr auf den Wassern. 19 Und die Wasser nahmen überhand und wuchsen so sehr auf Erden, dass alle hohen Berge unter dem ganzen Himmel bedeckt wurden. 20 Fünfzehn Ellen hoch gingen die Wasser über die Berge, sodass sie ganz bedeckt wurden.
Noch heute reden wir von Sintflut, wenn es weltweit zu Überschwemmungen kommt. Und spüren, wie wir schaudern. Dahinter steckt wohl das Empfinden angesichts der Wassermassen, die es manchmal gibt: sie nehmen überhand. Es gibt nichts, was sie aufhalten kann. Und es ist beängstigend bis auf den Tag heute, wie die Schutzmaßnahmen von uns Menschen manchmal einfach weg-gespült werden. Die Macht des Wassers hat eine unheimliche Seite – Erinnerung an die Chaosfluten, von denen in der Schöpfung die Rede ist.
Vierzig Tage ist diese Flut da. Sie bedeckt alles. Man könnte sagen: So weit das Auge reicht – nur Wasser. Auch da, wo früher einmal Land war. Die Berge versinken im Meer. Das ist Ausdruck höchster Katastrophe, in der es nur noch eine vage Hoffnung auf einen Bergungsort gibt:
„Darum fürchten wir uns nicht, wenngleich die Welt unterginge und die Berge mitten ins Meer sänken, wenngleich das Meer wütete und wallte und von seinem Ungestüm die Berge einfielen. Sela.“ Psalm 46, 3 – 4
Wer so betet, setzt sich in seinen Gedanken mit Noah in die Arche! Wie oft wohl sitzen auch heute Menschen so in ihren Gedanken und hoffen auf eine Arche, in der sie Rettung finden? Die Katastrophenfilme unserer Zeit wie “Armageddon” oder “The day after tomorrow” erzählen von solchen Rettungshoffnungen in letzter Sekunde.
21 Da ging alles Fleisch unter, das sich auf Erden regte, an Vögeln, an Vieh, an wildem Getier und an allem, was da wimmelte auf Erden, und alle Menschen. 22 Alles, was Odem des Lebens hatte auf dem Trockenen, das starb. 23 So wurde vertilgt alles, was auf dem Erdboden war, vom Menschen an bis hin zum Vieh und zum Gewürm und zu den Vögeln unter dem Himmel; das wurde alles von der Erde vertilgt.
In dieser Flut geht alles unter. Alles, was Odem des Lebens hatte auf dem Trockenen. Grauenvoll. Nicht nur eine Menschheitskatastrophe, sondern eine, die alles Leben trifft. Hervor gerufen aber durch das Dichten und Trachten der Menschen.
Für mich ist das Unheimliche an dieser Erzählung, dass es nicht so weit weg ist, dass aus dem Handeln der Menschen nicht nur Katastrophen für uns Menschen, sondern für die ganze Schöpfung erwachsen können. Meistens bleiben sie noch in einem begrenzten Rahmen, aber sie sind zugleich wie ein Hinweis darauf: Wenn ihr so weiter macht… Die Sprache der Klimaforscher ist nicht sonderlich bildhaft, sondern von Zahlen, Kurven und Messdaten bestimmt. Aber sie malen mit ihren nüchternen Fakten das Bild einer globalen Sintflut. Und es ist die Frage, wie lange wir es uns noch leisten können, darüber Scheindebatten zu führen, ob dieser Klimawandel, von dem die Rede ist, menschengemacht ist oder nicht.
Allein Noah blieb übrig und was mit ihm in der Arche war. 24 Und die Wasser wuchsen gewaltig auf Erden hundertundfünfzig Tage.
Mitten im Chaos bleibt Noah bewahrt. Alleine übrig geblieben. Um ihn herum nichts als Wasser. Vor dem inneren Auge eine unermessliche Wasserwüste. Berge ins Meer versunken. Ein Kasten, der auf den Fluten treibt. So ist Noah den Elementen, dem Element Wasser ausgeliefert. aber eben auch in der Arche bewahrt. Als das Zeichen der Hoffnung Gottes, die Gott immer noch an die Menschen knüpft.
In diesen Tagen im Januar 2019 kommen täglich die Meldungen über das „Schneechaos“ in den Alpen, sechs Meter, zehn Meter Schnee. Und wir Menschen, die meinen, der Natur den eigenen Willen aufzwingen zu können, spüren plötzlich, wie sehr wir ausgeliefert sind. Wie sehr wir angewiesen sind, dass der Schneefall einfach nur aufhört. So wie wir manchmal darauf angewiesen sind, dass Wassermassen Einhalt erfahren. Die Flut und das Chaos sind Weckrufe an uns, unser Denken und unser Verhalten. „In der modernen Gesellschaft scheinen die individuellen Bedürfnisse zum Maß aller Dinge geworden zu sein. Das geht bei manchen offenbar so weit, dass sie in den Alpengipfeln nicht viel mehr sehen als eine Kulisse für waghalsige Stunts… Wir sollten uns inspirieren lassen von dem Respekt, den die einheimischen den Bergen entgegen bringen.“ (F. Schmidt-Wyk Kreisanzeiger, 14. 1. 2019, S. 2)
„Die Beschreibung der Flut ist eine schreckliche Gerichtsszene mit einem winzigen Funken Hoffnung.“ (H.J. Bräumer, aaO. S. 177) Wenn ich diese Schilderung lese, bedroht mich ein Gefühl absoluter Einsamkeit. Und wirft mich zurück auf Gott, der Noah bewahrt.
Was mich beschäftigt:
Es gibt Zeiten, da sind wir ausgeliefert. Warten. Auf einen Brief. Auf einen Anruf. Auf einen Besuch. Auf die Diagnose. Auf das Erwachen. Auf die Lösung, die wir nicht mehr in der Hand haben. Zeiten, in denen sich die Zeit dehnt, nicht vergehen will, wie stillzustehen scheint. Es ist hart, solche Zeiten durchzustehen. Noah in der Arche ist einer, der erlebt, was sich seitdem immer wieder in anderer Gestalt wiederholt. Es ist gut, dass keine Gottesdienste aus der Arche berichtet werden. Weil es uns in solchen Zeit oft nicht nach Gottesdienst zumute ist. Man muss da ehrlich bleiben. Das Warten zermürbt die Frömmigkeit.
Ich bin auf ein Gedicht gestoßen worden, das in die Wartezeit des Noah in der Arche passt.
„Wir werden eingetaucht und mit dem Wasser der Sintflut gewaschen wir werden durchnässt bis auf die Herzhaut
Der Wunsch nach der Landschaft diesseits der Tränengrenze taugt nicht der Wunsch, den Blütenfrühling zu halten der Wunsch, verschont zu bleiben taugt nicht
Was taugt die Bitte dass bei Sonnenaufgang die Taue den Zweig vom Ölbaum bringe Dass die Frucht so bunt wie die Blüte sei dass noch die Blätter der Rose am BBoden eine leuchtende Krone bilden
Und dass wir aus der Flut dass wir aus der Löwengrube und dem feurigen Ofen immer versehrte und immer heiler stets von neuem zu uns selbst entlassen werden.“ H. Domin, Ich will dich, Frankfurt 1995, S. 50
Mitten im Chaos bewahrt. Mein Gott und Herr, wie oft habe ich das erfahren, dass Du bewahrst, rettest, im letzten Augenblick aus Gefahr hilfst
Es muss nicht gleich eine Sintflut sein. Es reicht das ganze normale Chaos, das sich Tag für Tag abspielt und oft genug nach meinen Herzen greift, mir die Luft zum Atmen zu nehmen droht.
Ich danke Dir, dass ich sehen darf in der Geschichte des Glaubens, wie oft Du bewahrt hast, gerettet, aus dem Untergang heraus geholfen. Darauf vertraue ich. Amen