Johannes 7, 53 – 8,11
„Die nun folgende Erzählung Geschichte möchte man im Neuen Testament nicht missen, aber zum Johannesevangelium gehörte sie ursprünglich nicht.“ (T. Jänicke, Die Herrlichkeit des Gottessohnes, Gelnhausen 1961, S. 105)Sie fehlt in den ältesten Handschriften. Sie findet sich erst in Sammlungen aus dem 5. Jahrhundert nach Christus. Aber sie ist schon früher bekannt – vielleicht schon bei Papias († 163). Hieronymus († 420) hat sie in seine lateinische Bibelübersetzung, die Vulgata aufgenommen.
Es mag sein, dass sie in der ersten Christenheit, die eine sehr strenge Bußpraxis kannte, nicht unbedingt eine “Lieblings-Geschichte” war, kann man sie doch wie eine Aufforderung zu einer weitherzigen Moral lesen und wie eine Anklage gegen engherzigen Gesetzes-Gehorsam.
53Und jeder ging heim. 1Jesus aber ging zum Ölberg.
Ein Satz, der in der Luft hängt: Und jeder ging heim. Stecken hinter dem jeder die Zuhörer des Disputs, Leute aus dem Volk? Oder sind es die Knechte, die einsehen, dass es heute nichts mehr zu tun gibt. Oder geht es darum, dass die Hohenpriester und der Rat ihre Sitzung unterbrechen? Alles ist möglich. Nichts ist klar.
Zwischen den beiden Sätzen liegt eine ganze Nacht. Jesus ist allein am Ölberg. Von den Jüngern keine Spur. Sie werden auch in der nachfolgenden Geschichte abwesend sein. Was ist in dieser Nacht am Ölberg? Johannes lässt in seinem Erzählen eine Lücke, ein ungefülltes Zeitfenster und lädt so ein zum Fragen. „Du darfst neu leben“ weiterlesen