Lukas 18, 31 – 34
31 Er nahm aber zu sich die Zwölf und sprach zu ihnen: Seht, wir gehen hinauf nach Jerusalem, und es wird alles vollendet werden, was geschrieben ist durch die Propheten von dem Menschensohn.
“Seht, wir gehen hinauf nach Jerusalem, damit alles vollendet werde.” Als Jesus das sagte, waren die Jünger da wie elektrisiert? Jetzt ist es soweit. Jetzt wird er in Jerusalem enthüllen, wer er ist. Jetzt nimmt er das Zepter in die Hand. Jetzt macht er den letzten Schritt mit dem er zeigt, dass er der lang erwartete Messias ist. Jerusalem da muss es offenbar werden, was in Galiläa immer wieder einmal aufgeblitzt ist. Jetzt tut er den letzten Schritt. Geht es ihnen das alles durch den Kopf?
Die uralten Worte der Propheten erfüllen sich – das klingt doch gut. Das macht doch Hoffnung. „Der HERR hat offenbart seinen heiligen Arm vor den Augen aller Völker, dass aller Welt Enden sehen das Heil unsres Gottes.“ (Jesaja 52, 10) Jetzt ist es so weit.
Was der alten Väter Schar
Höchster Wunsch und Sehnen war,
Und was sie geprophezeit,
Ist erfüllt nach Herrlichkeit. Heinrich Held 1658
Oder weniger heilig: Jetzt geht’s los!
32 Denn er wird überantwortet werden den Heiden, und er wird verspottet und misshandelt und angespien werden, 33 und sie werden ihn geißeln und töten; und am dritten Tage wird er auferstehen.
Welche Ernüchterung: Es ist Zeit für Klartext. Es ist Zeit für einen illusionslosen Blick nach vorne. Gerade haben die Jünger noch einmal über die Nachfolge geredet, über das Geschenk der Gemeinschaft. Gerade noch haben sie gehört: Nachfolge wird beantwortet durch den Zugewinn an miteinander – mit Jesus und den anderen.
Und jetzt das. Jesus richtet seinen Blick und den Blick der Jünger nach vorne. Hinauf nach Jerusalem. Die Worte der Propheten, die Schrift wird sich erfüllen, die so oft gelesen wird, die im Volk immer wieder zitiert und doch nicht beachtet wird. Sie wird sich erfüllen, aber anders als erhofft und es erfüllen sich andere Worte als erhofft. Es sind Worte von Leiden, Sterben und Tod. „Fürwahr, er trug unsre Krankheit und lud auf sich unsre Schmerzen. Wir aber hielten ihn für den, der geplagt und von Gott geschlagen und gemartert wäre. Aber er ist um unsrer Missetat willen verwundet und um unsrer Sünde willen zerschlagen. Die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilt.“ (Jesaja 53, 4 – 5) Zur Zeit Jesu ist das kein Wort, das gleich als Leitmotiv für den Christus gegolten hätte.
Jesus sieht kommen, was kommen wird. Seine Leidens-Ansage beschreibt den künftigen Weg so präzise, das viele sagen: Das ist ein Wissen aus dem Nachhinein, nicht eine Vision. Aber – der die Herzen kennt, sollte der nicht auch seine Zukunft schon sehen, die erst im Werden ist? Und sollte er wirklich nicht wissen, welchen Weg der Vater ihm abverlangt? Es ist, als liefe der Ablauf der Tage der Passion wie ein Film jetzt schon vor seinem inneren Auge ab. Auslieferung – Verspottung – Misshandlung – Hinrichtung. Das ist die Vollendung, der der Weg Jesu entgegengeht: Nicht ein Sieg nach blutiger Schlacht, sondern ein Sterben hinaus gestoßen aus der Stadt, ausgeliefert an die Heiden, getötet am Ort der Verbrecher.
Und am dritten Tage wird er auferstehen hören die Jünger schon gar nicht mehr. Sie sind durch alles vorher schon so verkrampft, so zu, dass sie das nicht mehr erreicht. Das Wort vom auferstehen hat ja auch keine Chance gegen die Macht der anderen Bilder. Wer kann denn damit etwas anfangen, wenn es ins Sterben geht?
34 Sie aber begriffen nichts davon, und der Sinn der Rede war ihnen verborgen, und sie verstanden nicht, was damit gesagt war.
Es ist ein alltäglicher Vorgang bis in unsere Tage hinein: wir hören manches nicht, weil es uns so in unseren innersten Lebensbedürfnissen widerspricht, dass wir es gar nicht hören können. Vielleicht auch, weil wir es nicht hören wollen. Unsere Ohren machen zu. Unsere Augen machen dicht. Unser ganzer Lebenstrieb sagt: das darf nicht sein. Was so gegen unsere innerste Lebensausrichtung steht, hat keine Chance, wahrgenommen, aufgenommen zu werden. Unser Verstand verweigert sich.
Also: Kein Vorwurf an die Jünger. Sie sind keine Sammlung von Trotteln, die nichts begreifen. Sie sind keine Ansammlung von Deppen, wie sie in „Jesus Christ Superstar“ charakterisiert werden. Sie sind nicht zu doof, um nicht zu verstehen. Sie sind natürliche Menschen, intelligent wie unsereiner und genau darin unfähig zu begreifen. Es ist nicht unsere natürliche Möglichkeit, diesen Weg Jesu ins Leiden zu akzeptieren und zu begreifen als den Weg, der Gottes Weg ist, als den Weg, der der Weg des Heils ist. Das steht so nicht auf unserer inneren Landkarte verzeichnet. Es ist ein Akt der Ehrlichkeit, sich einzugestehen: Ich an der Stelle der Jünger hätte auch nichts gehört, gesehen und verstanden.
Jesus Du hast Deine Jünger überfordert Sie haben einen großen Traum geträumt Sie waren bereit für Dich bis ans Ende der Welt zu gehen Sie hätten für Dich gekämpft Und Du redest von Spott und Schande Leiden und Sterben
Kein Wunder dass sie nicht verstehen sie nicht – und wir nicht
Wenn Du Einsatz verlangen würdest wenn Du Opfer verlangen würdest wenn Du Härte gegen sich selbst verlangen würdest für das große Ziel – Jesus das würden wir verstehen
Das käme der Logik unserer Welt entgegen
Aber Du verlangst nichts Du gehst Deinen Weg und wir können nichts außer sehen und hören: für Dich. Amen