Lukas 2, 41 – 52
41 Und seine Eltern gingen alle Jahre nach Jerusalem zum Passafest. 42 Und als er zwölf Jahre alt war, gingen sie hinauf nach dem Brauch des Festes. 43 Und als die Tage vorüber waren und sie wieder nach Hause gingen, blieb der Knabe Jesus in Jerusalem und seine Eltern wussten’s nicht. 44 Sie meinten aber, er wäre unter den Gefährten, und kamen eine Tagereise weit und suchten ihn unter den Verwandten und Bekannten. 45 Und da sie ihn nicht fanden, gingen sie wieder nach Jerusalem und suchten ihn.
Kinder gehen verloren. Das gibt es nicht nur heute und nicht nur bei Eltern, die kein Auge für ihre Sprösslinge haben. Das ist auch nicht nur das Problem von Eltern aus einem sozial schwierigen Milieu. Es kann schnell gehen im Trubel des Passah-Festes, wenn einer sich auf den anderen verlässt und beide zusammen auf die Verwandten. Es kann schnell gehen im Trubel all der Verpflichtungen, die Eltern ja auch haben. Man könnte auf die Idee kommen: vernachlässigte Aufsichtspflicht. Man könnte nach dem Jugendamt rufen – heute wenigstens.
Das ist nicht nur ein Problem damals, bei dem kleinen Jesus. Das ist auch heute ein Problem, eines an dem Menschenkinder scheitern und zerbrechen – so Gerhard Schöne:
Manchmal höre ich sie grölend durch die Häuserschluchten ziehn,
Manchmal seh‘ ich sie an Wände ihre Höhlenzeichen sprühn.
Manchmal fallen sie wie Wölfe über Unschuldslämmer her,
Die zurückgelassnen Kinder, Schnauze voll und Augen leer.
Ihre Eltern aber sagen, wenn sie krumm gehen nach Gold:
Wir tun’s nur für unsre Kinder! Habn das Beste nur gewollt!
Hinter Flipperautomaten spielen sie ums kleine Glück,
Blättern lustlos in den Pornos, immer Traurigkeit I’m Blick.
Ein Gefühl, beinah wie Hunger oder Heimweh, das sie packt,
Die zurückgelassnen Kinder, ungetröstet, splitternackt.
Hilflos rufen ihre Eltern, doch die Drähte sind gekappt.
Sie war’n grade so beschäftigt, als die Türe zugeschnappt.
Manche gehen langsam unter, andre steigen auf I’m Nu,
Drücken dir als smarte Herren skrupellos die Kehle zu.
Kein Gewissen kann sie bremsen bei der Schlacht ums große Geld,
Die zurückgelassnen Kinder, die sich rächen an der Welt.
So geht es mit Jesus beim Passah-Fest. Die Eltern sind zu beschäftigt mit diesem und jenem und ihn verlieren sie dabei irgendwie aus den Augen, ohne es wirklich zu merken. Jesus ist vergessen, aber nicht zurückgelassen. Als die Eltern den Verlust bemerken, beginnt die emotionale Achterbahnfahrt: Selbstvorwürfe, gegenseitige Vorwürfe, Ratlosigkeit. Und dann eben: Zurück gehen. Suchen „Im Vaterhaus“ weiterlesen